Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
geistesgegenwärtig wird die Signation für Werbeunterbrechungen über die Szene gegossen, aus einem Guss das Ganze. Ann ist nicht absetzbar, nicht jetzt, das weiß sie.
Beim Abendessen sitzt mir dann die Frau irgendeines Geschäftspartners gegenüber, wie hat denn das passieren können, was für ein Fauxpas, immer Mann-Frau, und er fragt, wie es den Kindern ginge, die Grünfärbung des Flusses, sage ich, lässt leider derzeit noch zu wünschen übrig. Wissen Sie, für sie rollt man ja immer den roten Teppich aus, sagt der Mann neben mir gerade, was bleibt da für mich, er kichert, also sie ist die Geschäftpartnerin, jetzt verstehe ich, aber welches Hierarchieprinzip hat dann den Vorrang, ich wette auf das geschlechtsspezifische. Ich sehe mich nach Alexander um, da läuft was schief, Alexander hat sich entfernt, ich höre ihn im Hintergrund etwas regeln, er hat diese abschließende Regelungsstimme, ich gehe in die Küche und frage Beatrice, wie denn das mit der Sitzordnung hat passieren können, ich sehe schon, dass ich störe, denn hinter ihr steht Jeremias und hält eine Teetasse in der Hand; er stellt sie ab, bevor er sich rasch wegdreht. Ich kann es gar nicht glauben.
Darüber muss ich Alexander informieren, da ist was im Gang, und ich weiß auch schon, was im Gang ist, und Alexander folgt mir, sich bei dem Gästen entschuldigend, und ich fahre Beatrice an und frage sie, was Jeremias da macht, wie sie so pflichtvergessen sein kann und wiederhole die Sitzordnungsgeschichte, und Alexander lächelt seltsam. Jeremias ist natürlich weit und breit nicht mehr zu sehen.
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Verrat liegt immer nahe, er könnte mich zum Opfer bringen. Es könnte jemand aus der Wohnung gewesen sein. Sehen wir uns das an, sagt Ann zu Alexander (Alexander geht jetzt in die Offensive, und ich bin einmal mehr das Publikum, wie habe ich das satt): sie zeigt eine läppische Animation, deren grelle Blockfarben die vorbeilaufenden Kursinformationen am unteren Bildschirmrand beinahe unkenntlich machen. Eine stilisierte Figur biegt um Korridorecken, vage schwebend, vage einen Gang andeutend, da waren wir doch schon vor Jahren weiter, ich muss lachen, die unbeholfene Ästhetik soll wohl authentische Polizeisimulation widerspiegeln (so lächerlich mies ist die Ordnungsmacht finanziell ausgestattet, soll das heißen, keine Chance vertun!). Die Figur zerschlägt die Kamera mit einem nicht erkennbaren Objekt, da haben sie sich nicht viel angetan, und verschwindet in der Wohnung, mit Sicherheitschip, oder, in einer zweiten Version, Ann lehnt sich zurück, sehen wir uns das gemeinsam an, die Figur kommt aus der Wohnung, was eine bessere Erklärung für die Ausnutzung des toten Kamerawinkels ergäbe (der Winkel wird dunkelgrau eingeblendet). Alexanders Blick wird gläsern, aber das liegt sicher nur an der mangelnden Synchronisation von Bild und Ton, am Hängenbleiben des Bildes. Er zögert, da flackert Verrat auf, doch zum Glück war Alexander nicht dabei, er kennt das nur vom Hörensagen, deshalb kann er seine Ahnungslosigkeit überzeugend geltend machen: das sei ja gerade das Problem, dass einer der beiden Verdächtigen Zugang zur Wohnung gehabt habe. Ja, aber, sagt Ann, was hätte der für ein Motiv?
Er wolle da nicht den behördlichen Ermittlungen vorgreifen, sagt Alexander. Doch denkbar sei immerhin, dass die Aufdeckung der Kinderpornosache verhindert werden sollte. Nicht schlecht. Und doch ertappe ich mich dabei, wie ich will, dass sie sich nicht abspeisen lässt. Sei es nicht viel wahrscheinlicher, dass diese Person (ein Bild des Videomitschnitts zeigt einen dunkel gefüllten schemenhaften Menschenumriss) bezahlt worden sei?, der Videomitschnitt, und jetzt wird es heikel, beweise allerdings, dass diese Person von unterdurchschnittlicher Größe gewesen sei (das Material stammt im übrigen von einer privaten Sicherheitsfirma, die von der rebellierenden Hausgemeinschaft angeheuert wurde), von einer für einen Mann eher unüblichen Größe, was auch eine Frau nicht ausschließe. Jetzt, sage ich zu Alexander. Jetzt kannst du die ganze Sache ein für allemal loswerden. Wirf mich zum Fraß vor, rette deine Haut. Doch Alexander sagt, dass er genug Vertrauen in die polizeiliche Arbeit habe, um zu wissen, dass alle Daten mit denen des Hauptverdächtigen, Archibald H. abgeglichen worden seien, der im übrigen, soweit sein persönlicher Eindruck, von eher unterdurchschnittlichem Wuchs gewesen sei. Aber so genau sehe man seine Mitarbeiter ja leider nicht
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