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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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fallen. Er ist dem Sport überhaupt nicht zugetan und scheint sich nur nach der Schreibstube zu sehnen.«
    »Du läßt die beiden doch nicht etwa miteinander ringen?« fragte Bertrada besorgt.
    »Ich achte Euren Befehl, Herrin«, erwiderte Teles ernst. »In meiner Gegenwart ringen sie nur mit den anderen Kindern. Aber ich kann natürlich nicht verhindern, daß sie miteinander üben, wenn ich gerade nicht anwesend bin.«
    Und dann verliert Karlmann jedesmal, dachte Bertrada. Wenn doch nur Pippin endlich zurückkäme! Sie wußte so wenig von dem, was Knaben bewegte. Vielleicht war es doch besser, die beiden voneinander zu trennen? Aber dann müßte sie eines ihrer Kinder in die Fremde geben, und das brachte sie nicht übers Herz. Wieder flehte sie Gott an, ihr diesmal ein gesundes Mädchen zu schenken. Und bat inbrünstig darum, daß sie niemals in die Lage geraten möge, sich zwischen ihren Kindern entscheiden zu müssen.
    Es erwies sich als eine glückliche Fügung, daß Pippin sich noch in Rom aufhielt, als die Kunde vom plötzlichen Tod König Aistulfs den Kirchenstaat erreichte. Hocherfreut dankte Papst Stephan der göttlichen Vorsehung, die den Langobardenkönig der Hölle zugeführt hatte, und brach sofort mit Pippin nach Pavia auf. Gemeinsam setzten sie dort durch, daß die Langobarden den papstfreundlichen Herzog Desiderius von Tuscien zum neuen König wählten. Dieser versprach, nicht nur den Friedensvertrag zu ehren, sondern den neuen Kirchenstaat mit Gebietsgaben noch weiter zu vergrößern.
    Bei einem festlichen Gelage wurde der Bund besiegelt.
    Während König Desiderius zu vorgerückter Stunde dem Heiligen Vater weinselig immer mehr Land zusagte, hatte sich Pippin in ein Gespräch mit einer der zahlreichen Königstöchter vertieft. Noch nie hatte er eine solch angenehme weibliche Stimme vernommen, noch nie ein solch entzückendes Mädchen kennengelernt. Desiderata war erst fünfzehn Jahre alt und nach gängigem Geschmack keineswegs eine Schönheit. Doch es umgab sie ein engelgleicher Glanz, als entstammte sie einer fernen fremden Wirklichkeit, und ihm wurde in ihrer Nähe angenehm warm ums Herz. Mit ihrer lieblichen Stimme löschte sie das schrille Lachen der römischen Freimädchen aus, ihre anmutigen Bewegungen ließen ihn die Greuel des blutigen Feldzugs vergessen, und ihre schlichte Natürlichkeit überstrahlte alle raffinierten Berechnungen und Ränkespiele, die ihn im Umgang mit dem Heiligen Vater stets so erschöpft hatten. Er hätte tagelang nichts anderes tun können, als ihr nur verzückt zuzuhören, obwohl er kaum ein Wort des Gesagten aufnahm. Ihre Stimme war ihm wie ein murmelnder Bach, der die Sinne beruhigte, wie das Rauschen des Waldes oder der Gesang der Vögel am nebelfrühen Morgen. In seinem Herzen kehrte endlich Frieden ein.
    An Bertrada dachte er erst wieder, als er in jener Nacht auf seinem Lager ruhte. Neben der lieblichen Desiderata erschien sie ihm wie eine grobschlächtige, steinerne Frau, die sich nicht im mindesten mühte, den Mann, der er schließlich war, zu erfreuen, sondern geradezu danach drängte, an all den unerquicklichen Begleiterscheinungen der Macht teilzuhaben. Sie war berechnend wie der Papst, verlogen wie König Aistulf, verschlagen wie Pater Fulrad, jähzornig wie sein Bruder Karlmann, ungehorsam wie sein Sohn Karl und von der gleichen ermüdenden Beharrlichkeit wie der Fürst der Aquitanier. Dieser Frau war allein an Macht gelegen. Seine frühere Besessenheit kam ihm jetzt lächerlich vor, wie auch sein einstiges Verlangen nach einer kühnen Gefährtin. Gott hatte diese Eigenschaft zu Recht den Männern verliehen, eine Frau dagegen hatte duldsam, betörend und lieblich zu sein, damit sich der Krieger bei ihr ausruhen konnte, um für die nächste Schlacht gestärkt zu sein. Eine Frau wie Desiderata würde ihn niemals seiner Kräfte berauben, sondern ihm im Gegenteil stets neue verleihen.
    Unruhig wälzte er sich hin und her. Er konnte seinen Aufbruch nicht länger hinauszögern, mußte für Ordnung in seinem Land sorgen und endlich die Sachsen und Aquitanier gänzlich unterwerfen!
    Und er würde sich von Bertrada trennen. Wie klar ihm plötzlich alles vor Augen stand!
    Doch vorher mußte er bei König Desiderius um die Hand seiner Tochter anhalten. Dabei brauchte aber niemand zu wissen, wie sehr ihn das Mädchen mit der Glockenstimme verzaubert hatte. Jeder würde begreifen, daß die Verbindung des Frankenkönigs mit der Tochter des Langobardenherrschers den

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