Die Königsmacherin
durch ständige Gebete«, hatte Pippin mit beinahe verklärtem Gesichtsausdruck hinzugesetzt. »In Fulda und Saint Denis werden außerdem jeden Monat Messen für ihn gelesen.«
Leise schnarchend lag er jetzt neben ihr. Bertrada zog vorsichtig ihren rechten Arm unter ihm hervor. Er war genauso kalt geworden wie ihr Herz, als sie an den Traum dachte, der sie erschreckt hatte und sie nun mit bösen Ahnungen erfüllte.
Dabei hatte der Traum so harmlos begonnen. Sie hatte an einem heißen Sommertag am Ufer der Prüm gestanden und Pippin auf der anderen Seite erblickt. Er bedeutete ihr, über die Brücke zu ihm zu kommen, aber sie hatte ihm lachend zugerufen, daß sie weiter flußabwärts ins Wasser steigen und erst dort hinübergehen wollte. Eine lange Zeit gingen sie, nur durch den Fluß getrennt, nebeneinander her. Endlich fand sie eine Stelle, wo sie mühelos hinüberwaten konnte. Sie entledigte sich ihrer Kleider und stieg in den Fluß. Der aber wurde mit einemmal zum reißenden Gewässer. Sie kämpfte dagegen an, wehrte sich verzweifelt aus Leibeskräften, schlug immer heftiger um sich, konnte sich dann aber doch nicht halten und wurde schließlich von der Strömung mitgerissen. Durch die hochaufspritzende Gischt sah sie vor sich eine blutbeschmierte Felswand, der sie unerbittlich entgegengetrieben wurde. Sie spürte, wie Ellenbogen und Knie gegen Felsen schlugen, und als etwas sie am Kopf traf, dachte sie auch zuerst an einen Stein. Doch dann sah sie entsetzt, daß es ein winziger Kinderkopf mit weitgeöffneten Augen war, der nun gegen die Felswand prallte und sofort in einen Strudel hineingerissen wurde. Krachend stürzte unmittelbar vor der Wand ein hoher Baum nieder. Seine Krone schlug am gegenüberliegenden Ufer auf. Mit letzter Kraft klammerte sich Bertrada an einen Ast. Da sah sie Pippin über den Baumstamm steigen. Sie rief ihm zu, sie hinaufzuziehen. Aber er hörte sie nicht. Über ihren Kopf hinweg spähte er geradewegs in den Fluß, als suche er sie in den Wellen. Dann setzte er den Fuß auf ihre Hand. Sie verlor den Halt und stürzte in die sprudelnde Tiefe.
Als sie sich später am Morgen erhob, war Pippin längst aufgebrochen.
Dank seiner überlegenen Reiterei und der neuen Belagerungsmaschinen gelang es Pippin sehr schnell, Aistulf abermals in Pavia einzukesseln. Während er darauf wartete, daß sich der Langobardenkönig ergab, empfing er in seinem Lager eine Abordnung byzantinischer Gesandter, die von ihm die soeben eroberten Gebiete einforderten. Schließlich gehörten diese von Rechts wegen dem oströmischen Kaiser. Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, ließen sie in Pippins Zelt Truhen öffnen, aus denen goldenes Geschmeide, edle Waffen und kostbare Stoffe hervorquollen. Mit einer huldvollen Handbewegung lud ihn der Anführer der Gesandtschaft ein, sich zu bedienen.
»Kein Schatz der Welt könnte mich dazu bewegen, dem heiligen Petrus wieder zu nehmen, was ich ihm schon geschenkt habe«, erklärte der Frankenkönig, ohne die Reichtümer auch nur eines Blickes zu würdigen. Statt dessen bot er den Besuchern von seinem burgundischen Wein an. Noch bevor diese ablehnen konnten, stürzte Pater Fulrad in das Zelt.
»Es ist vorbei!« verkündete er. »Sie haben aufgegeben!«
»Dann hol dir die Schlüssel der Städte!« befahl Pippin vergnügt. »Und sorge dafür, daß Aistulf diesmal ausreichend Geiseln stellt. Wir können es uns schließlich nicht erlauben, jedes Jahr nach Italien zu reisen – jedenfalls nicht, solange wir noch in Aquitanien zu tun haben!« Freundlich nickte er den byzantinischen Gesandten zu. »Wie Ihr seht, edle Herren, rufen mich jetzt dringende Aufgaben.«
Papst Stephan war höchst überrascht, als ihm Pippin nach der Ankunft in Rom nicht die Schlüssel für die zweiundzwanzig eroberten Städte im Dukat von Rom, dem Exarchat von Ravenna, der Pentapolis und der Emilia aushändigte.
Mißtrauisch erkundigte er sich, ob sein geliebter Adoptivsohn die Schenkung etwa rückgängig machen wolle.
»Ganz im Gegenteil!« erklärte Pippin, dem dabei einfiel, daß er schon einmal ein geliebter Adoptivsohn gewesen war, nämlich der eines Langobardenkönigs. »Abt Fulrad händigt selbstredend die Schlüssel demjenigen aus, der uns um Hilfe angefleht hat.«
Unsicher geworden, sah sich der Papst um.
»Dem heiligen Petrus, natürlich!« fuhr Pippin heiter fort. »Der gute Pater legt zur Stunde die Schlüssel und eine auf ewig gültige Schenkungsurkunde an seinem Grab nieder. Damit,
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