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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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eintraf?«
    Noch nie hatte das Abendland ein solch seltsames Blasinstrument gesehen, wie dieses Organon mit den fünfzehn Pfeifen. Besonders ungewöhnlich aber war, daß man es nicht mit Lungenkraft betrieb, sondern Klänge hervorrief, indem man mit dem Finger kleine Hebel herunterdrückte. Über Bälge wurde dann Wind erzeugt und durch Wasserdruck die Luft zusammengezogen. Teles konnte sich erinnern, in seiner Kindheit ein solches Instrument gesehen zu haben. Sein Vater hatte es als den ›großen Bruder‹ der Panpfeife bezeichnet und erklärt, seine Kraft komme am besten in großen hohen Gebäuden zur Geltung. Zum Beispiel in Kirchen. Pater Fulrad nahm den Gedanken auf, und seitdem wurde das Organon bei der Liturgie eingesetzt. Nicht nur die Mönche, sondern auch die Gläubigen fanden, daß die Andacht durch dieses Instrument weihevoller wurde.
    »Wir haben uns für das Geschenk auf gebührende Weise bedankt«, fuhr Bertrada fort, »aber mir behagte nicht, daß ich meine Tochter in ein so weit entfernt gelegenes Land geben sollte. Und wir wollten den Heiligen Vater nicht beunruhigen.«
    Pater Fulrad runzelte die Stirn.
    »Ich glaube nicht, daß er sehr viel glücklicher über eine langobardische Verbindung sein wird.«
    »Die können wir ihm schon schmackhaft machen«, versicherte Bertrada. »Aber weniger durch Giselas Heirat, obwohl das durchaus auch in Erwägung gezogen werden könnte. Ich dachte eigentlich an meinen ältesten Sohn. Die Länder, die Karl dann als Mitgift erhält, könnten gleich an den Kirchenstaat weitergegeben werden. Der Heilige Vater dürfte wohl kaum etwas dagegen einzuwenden haben, daß dies auch ohne Blutvergießen geschehen kann!«
    »Karl?« Fragend runzelte der Abt die Stirn.
    »Ja«, erwiderte Bertrada. »Karl soll eine Tochter von König Desiderius heiraten. Sie ist zwar etwas älter als er, aber immer noch jung genug, um Erben zu gebären.«
    »Welche Tochter?«
    »Nomen est omen, Pater, die Begehrenswerte heißt Desiderata!« rief Bertrada lachend.
    Der Abt blieb abrupt stehen und starrte Bertrada erschüttert an.
    »Was ist mit Euch?« Bertrada streckte einen Arm aus, als wollte sie den Abt stützen.
    Doch der schüttelte nur den Kopf und ging weiter. Seine Füße waren ihm mit einemmal schwer wie Blei.
    »Was sagt Euer Gemahl zu diesen Plänen?« brachte er schließlich hervor.
    »Er weiß noch nichts davon.«
    »Desiderata darf auf keinen Fall an den Königshof kommen«, murmelte der Erzkaplan. »Das brächte nur großes Unheil!«
    Zehn Jahre war es nun her, daß Pippin aus Rom zurückgekehrt war. Erst hatte er Papst Stephan und dann seinen Nachfolger Papst Paul bedrängt, ihm die Trennung von Bertrada zu ermöglichen, um Desiderata heiraten zu können. Der König hatte sich dem Verbot des Heiligen Stuhls zwar gebeugt, sich seiner Gemahlin jedoch derart entfremdet, daß Abt Fulrad damals befürchtet hatte, sie würde sich nach der Geburt ihrer Tochter aus eigenem Willen in ein Kloster zurückziehen – und Pippin damit doch noch den Weg zur ersehnten Neuheirat freimachen. Aber dann geschah plötzlich ein Wunder, anders konnte und wollte es sich der Abt nicht erklären. Kurz vor seinem letzten Feldzug gegen die Sachsen hatte sich Pippin innerhalb weniger Tage seiner Gemahlin nicht nur wieder zugewandt, sondern schien ihr seitdem noch treuer ergeben als jemals zuvor. Bertrada war sogar wieder mit ihm in den Krieg gezogen und hatte ihm nach dem Sieg dabei geholfen, die dreihundert Pferde auszuwählen, die der König diesmal statt der sonst üblichen Kühe als Tribut von den Sachsen forderte. Pippin setzte bei seinen jüngsten Feldzügen nämlich zunehmend auf berittene Kämpfer, weil er sich erhoffte, mit einer stärkeren Reiterei auch die Aquitanier endgültig unterwerfen zu können.
    Nach den Monaten der Entfremdung schien das Königspaar also wieder zueinandergefunden zu haben. Wilde Gerüchte von einem Liebeszauber hatten damals am Hof die Runde gemacht. Aber davor hatte der Abt sein Ohr verschlossen. So wie er auch die Augen geschlossen hatte, als sich in jenen unheilschwangeren Tagen der Referendarius Martinus Teles in einer Abteilung der Klosterbibliothek aufhielt, die Mönchen und Laien aus guten Gründen eigentlich verwehrt war. Der Abt hatte sich etwas später höchstselbst davon überzeugt, daß die Abschrift der Papyri Graecae Magicae wieder ordnungsgemäß an ihren Platz zurückgestellt worden war.
    Gott bedient sich seltsamer Wege, hatte er sein Gewissen damals

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