Die Königsmacherin
Frieden in der Region endgültig sichern würde.
Doch da irrte er sich, wie er am nächsten Tag erfahren sollte.
»Unmöglich, mein Sohn!« fuhr ihn Papst Stephan empört an. »Wie willst du dein Volk von der Heiligkeit der Ehe überzeugen, wenn du deine eigene Gemahlin verstößt? Im Namen Christi verbiete ich dir, dich erneut zu vermählen, solange die von mir gesalbte Königin noch lebt!«
»Geliebter Vater«, entgegnete Pippin, »gerade das Wohl des Volkes zwingt mich doch zu diesem Schritt!«
Er führte umständlich aus, welches Heil auch dem Kirchenstaat aus dieser Verbindung erwachsen würde, aber Papst Stephan war nicht zu erweichen und drohte Pippin sogar mit der ewigen Verdammnis, wenn er eine Ehe mit Desiderata einginge. Er erinnerte ihn daran, daß das Königtum ein im Namen Gottes geführtes Amt sei, das der geistlichen Aufsicht unterstehe. Der Monarch habe sich untadelig zu verhalten, und eine Scheidung sei dabei nicht statthaft. Der Papst brachte Adam und Eva ins Spiel und erläuterte: »Die Paradiesgeschichte zeigt, daß Gott die Einehe wünscht, denn er tat nicht einen Mann und viele Frauen, sondern einen Mann und eine Frau zusammen.« Die Ehe heiße conjugium – Joch –, damit Mann und Frau zusammenblieben. Nein, empörte sich der Papst, Pippin dürfe sich keinesfalls von Bertrada trennen.
»Noch dazu, da deine Gemahlin gerade jetzt wieder guter Hoffnung ist!«
Verdutzt starrte Pippin den Heiligen Vater an und unterdrückte mühsam die Wut, die plötzlich in ihm aufstieg. Wenn der Papst besser über seine häuslichen Umstände Bescheid wußte als er selbst, dann war es wirklich höchste Zeit zum Aufbruch!
Maßlos verärgert verließ der Frankenkönig den Lateranpalast, kehrte in seine Unterkunft zurück und teilte seinen Männern mit, daß sie noch am selben Tag in die Heimat zurückkehren würden. Er begriff sehr wohl, weshalb der Heilige Vater sich plötzlich so unnachgiebig gezeigt hatte. Der Papst hatte schlichtweg Angst. Angst, daß Franken und Langobarden dann gemeinsam den noch jungen, schwachen Kirchenstaat bedrohen könnten.
Wohl um seine Ablehnung zu versüßen und sich Pippin gleichzeitig noch mehr zu verpflichten, gab ihm Stephan zum Abschied eine unschätzbare Kostbarkeit mit: eine Sandale Christi! Der Papst steckte die mit Gold verzierte lederne Reliquie höchstselbst in zwei ineinandergeschobene große Stoffschuhe und überreichte sie Pippin in aller Feierlichkeit. »Diese Schuhe hat einst Papst Zacharias getragen«, teilte er Pippin mit einem feinen Lächeln mit. Er brauchte ihn nicht erst daran zu erinnern, daß er eben jenem seine Königswürde zu verdanken hatte.
»Ich möchte diese Reliquien Prüm schenken!« frohlockte Bertrada, als Pippin die Gaben des Heiligen Vaters vor ihr auspackte.
»Dieser kleinen Kirche?« fragte Pippin zweifelnd.
»Wir machen sie größer und schöner!« entschied sie. »Wir schmücken sie mit Gold und Kostbarkeiten aus, auf daß die ganze Kirche zu einem einzigen Schrein werde!«
Pippin nickte müde. Leutberga hatte ständig von neuen Schuhen geredet, die sie anfertigen lassen wollte. Bertrada stellte dauernd die Frage, ob sie nun unterschiedlich oder gleichgroße Schuhe tragen sollte. Er aber mochte einfach nicht mehr über Schuhe reden. Auch nicht, wenn sie einem Papst oder Jesus Christus selbst gehört hatten.
Bertrada litt sehr darunter, daß ihr Pippin nach seiner Rückkehr mit solcher Kühle begegnete. Er schien sich nicht einmal auf das werdende Kind zu freuen, sondern machte ihr sogar Vorhaltungen, daß sie ihn nicht beizeiten über ihre Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hatte. Er rückte nicht nur des Nachts von ihr ab, sondern ließ sie auch immer weniger an den Geschehnissen im Reich teilhaben. Verzweifelt vertraute sie sich Pater Fulrad an. Der zog über seine römischen Verbindungen diskret Erkundigungen ein, behielt aber die erstaunlichen Erkenntnisse, die diese ihm einbrachten, erst einmal für sich. Als kurz darauf Papst Stephan starb und ihm sein leiblicher Bruder Paul auf dem Heiligen Stuhl nachfolgte, machte sich der Abt nach Rom auf. Pippin gab ihm ein Schreiben mit. Der Pater hätte das Siegel eigentlich nicht erst ablösen müssen, um zu wissen, was darin stand. Sorgsam fertigte er eine Kopie des Schreibens an und verwahrte sie in einem Reliquienbehälter. Dem neuen Heiligen Vater riet der Abt eindringlich, dem Beispiel seines Bruders zu folgen und Pippins Scheidungsabsichten im Interesse des Kirchenstaats um
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