Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
die Sprache wiedergefunden.
    »Deine Schuld!« wandte sie sich an ihren Sohn. »Hättest du mir erzählt, daß deine Tochter zwei ungleiche Füße hat, hätte ich sie natürlich sofort daran erkannt. Drei Jahre lang beherberge ich eine Flora von Ungarn in meinem Haus und ahne nicht einmal, daß es meine eigene Enkelin ist!«
    »Verzeihung, Frau Berta«, meldete sich der Abt und deutete auf Pippin, der bereits seit einiger Zeit vergeblich auf den Tisch geklopft hatte, um sich Gehör zu verschaffen.
    Jetzt war ihm alle Aufmerksamkeit gewiß.
    Er schwieg einen Augenblick, musterte das Gesicht der seltsam gewandeten Frau, die durchaus große Ähnlichkeit mit jener Person aufwies, die er geheiratet hatte, die aber dennoch ganz anders aussah. Kühner, dachte er, ja, das war das Wort. Als er sprach, war seine Stimme gefährlich leise.
    »Hochverrat«, sagte er. »Darauf steht der Tod.«

5
    D IE V ERSCHWÖRUNG
    Die Worte des Hausmeiers waren selbst am hintersten Tisch vernommen worden. Begierig zu erfahren, wer denn Hochverrat begangen und somit sein Leben verwirkt hatte, starrten alle hinauf zum Podest. Pippin stand auf.
    »Ihr alle seid des Todes«, begann er und hob die Hand, als ein bestürztes Raunen durch den Saal ging, »wenn auch nur ein Wort über das soeben hier Vorgefallene nach außen dringt. Ich werde keine Untersuchung darüber anstellen, wer geredet hat, sondern euch allesamt des Hochverrats anklagen. Alle!« brüllte er einen jungen Knecht an, der sich mit einem Krug dem Podest genähert hatte. Vor Schreck ließ der Junge das Gefäß fallen. »Ich rate euch, auf der Stelle diesen Raum zu verlassen«, fuhr Pippin fort, »denn allein das weitere Zuhören könnte euch schon das Leben kosten.«
    Er setzte sich wieder.
    Im Lärm des Aufbruchs, der seinen Worten folgte, wandte sich Vater Gregorius an Pippin. »Ich werde dafür sorgen, daß niemand von außen sein Ohr an die Wand hält«, schlug er seinerseits vor. Der Abt fand es nicht nur an der Zeit klarzustellen, wer der eigentliche Herr der Abtei war, sondern er mußte plötzlich auch noch etwas Dringendes erledigen, das keinerlei Aufschub duldete. »Erst dann sollte weitergesprochen werden.«
    Die Mönche, die Vater Gregorius an jenem Abend um das Versammlungsgebäude aufstellen ließ, brauchten niemanden zu verscheuchen. Der Hausmeier Pippin hatte erfolgreich Angst in die Herzen seines Gefolges und der Dienerschaft gesät. Da gab es niemanden, der es noch gewagt hätte, mehr wissen zu wollen.
    Doch fern von Prüm sollte schon bald jemand über die ungeheure Neuigkeit in Kenntnis gesetzt werden. Vater Gregorius verfaßte nämlich rasch eine kurze Mitteilung an Bonifatius. Er klärte ihn über die Frau auf, die bisher als Flora von Ungarn bekannt gewesen war, und kündigte ein ausführlicheres Schreiben mit allen Einzelheiten an. Den Brief drückte er einem Boten der Abtei in die Hand und wies ihn an, unverzüglich in die Wälder der Buconia zu reiten. Dort hatte der Erzbischof wenige Wochen zuvor auf einem Stück Land, das ihm von Karlmann geschenkt worden war, eine Mission gegründet und die Abtei Kloster Fulda genannt. Mit diesem großzügigen Geschenk hoffte Karlmann, den Erzbischof zu besänftigen, der sich immer noch regelmäßig heftig über die nicht zurückerstatteten Klostergüter erregte.
    Befriedigt, Bonifatius über die aufregenden jüngsten Entwicklungen ins Bild gesetzt zu haben, eilte Vater Gregorius zum Versammlungssaal zurück. Er öffnete die schwere Tür und huschte an verwaisten Tischen, umgestürzten Bänken, zerschellten Krügen sowie zurückgelassenen Umhängen und Holzschuhen vorbei wieder auf das Podest und ließ sich jetzt an Pippins anderer Seite nieder, da sich der Hausmeier inzwischen neben Bertrada gesetzt hatte. Der wandte sich an die junge Frau und forderte sie freundlich auf, die ganze Geschichte zu erzählen.
    Bertrada starrte den Mann neben sich an. Sie war fassungslos, daß er sie nicht wiedererkannt hatte. In ihrem Kopf formten sich Worte: Du bist an dem ganzen Unheil schuld! Du hast mir Gewalt angetan, mich geschändet und nackt im Wald zurückgelassen. Du bist es, der den Tod verdient hat! Sie öffnete den Mund, schloß ihn aber sofort wieder, als sie zu ihren Eltern hinüberblickte. Die durften niemals die ganze Wahrheit erfahren. Die Folgen wären verheerend und würden ihnen mit Sicherheit den Tod bringen. Sie zweifelte nicht im geringsten daran, daß ihr Vater dem Hausmeier auf der Stelle den Kopf abschlagen und

Weitere Kostenlose Bücher