Die Königsmacherin
Tag vor unserer Abreise nach Saint Denis überfallen worden, Frau Berta«, meldete sich Gräfin Gisela mit ihrer sanften Stimme. »Es scheint wohl wirklich so gewesen zu sein, daß man uns von dieser Reise abhalten wollte. Und Herr Karlmann hat uns später dringend abgeraten, in Saint Denis einzureiten, auch wenn er keine Erklärung dafür anführen konnte.«
»Daran hat er gut getan«, brummte Frau Berta, höchst zufrieden, daß der ältere Hausmeier ihren Worten Gehör geschenkt hatte. Wenn sie nur den jüngeren auch dazu bringen könnte, dann wäre der neue König eigentlich überflüssig.
»Nennt mir die Namen derer, die von diesem Kleidertausch wußten und somit an diesem Verbrechen beteiligt waren«, forderte Pippin.
Bertrada konnte sich immer noch nicht dazu durchringen, ihn anzusehen, fürchtete, sich doch noch zu vergessen und damit nicht nur sich, sondern auch ihre Eltern in Gefahr zu bringen.
»Den Namen Eures Gesandten habe ich vergessen«, begann sie, »aber von dem Kleidertausch wußten nur er, Mima und natürlich Leutberga.«
»Mein armes Kind!«
Frau Gisela stand auf, eilte zu ihrer Tochter, setzte sich neben sie auf die schmale Bank und brach wieder in Tränen aus, als sie Bertrada in die Arme nahm. »Was hat man dir bloß angetan! Wie hast du dich nur retten und bis hierher durchschlagen können? Wo hast du Kleider und Nahrung gefunden? Wie hast du nur diese furchtbare Sache überlebt?«
»Unterwegs haben mir Menschen geholfen«, begann Bertrada, aber Pippin schnitt ihr das Wort ab.
»Für den Reisebericht werden wir auch später noch Zeit finden«, erklärte er grimmig. »Erst muß darüber gesprochen werden, wie die Schuldigen ohne Aufsehen ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können«, er wandte sich an Bertradas Vater, »damit dieser unglückselige Kleidertausch ungeschehen gemacht wird.«
Ungeschehen? In Bertradas Eingeweiden wütete ein Sturm. Ist denn der Herr Hausmeier Gott? Wie will er ungeschehen machen, was er sich am Bachufer selbst hat zuschulden kommen lassen? Wie meine gefahrvolle Wanderung, meine Ängste, meine Verzweiflung? Wie die vergangenen drei Jahre, die ich in der Fremde zubringen mußte?
Sie funkelte den Hausmeier aus ihren hellen Augen böse an.
Pippin wurde etwas unbehaglich unter dem Blick der jungen Frau. Jetzt fand er, daß sie derjenigen, die sich für sie ausgegeben hatte, doch nicht so sehr glich, wie er zunächst angenommen hatte. Die Außenwelt, jene Menschen, die seiner angeblichen Frau nur flüchtig begegnet waren, würde man zwar täuschen können, nicht aber die Dienerschaft oder andere Menschen, die ihr nähergekommen waren. Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf. Er wollte nach Bertradas Hand greifen, aber sie zog sie rasch zurück. Er lachte.
»Habt Ihr vergessen, daß wir verheiratet sind?« fragte er gutmütig.
»Ich habe keine Hochzeit gehalten«, gab sie grimmig zurück.
»Das wird jetzt nachgeholt«, erklärte er bemüht heiter und erhob sich. »Graf Charibert, Gräfin Gisela, Vater Gregorius und Frau Berta, Ihr seid meine Zeugen, daß ich hiermit die rechtmäßige Bertrada von Laon zur Frau nehme. Segnet uns, ehrwürdiger Vater!«
»Nein!« wehrte sich Bertrada. »Das geht nicht.«
»Du hast doch damals der Heirat zugestimmt«, murmelte ihr Vater.
»Er ist mit Leutberga verheiratet!« fuhr Bertrada auf.
»Die Ehe mit der Betrügerin wurde unter falschen Voraussetzungen geschlossen und ist somit ungültig«, erklärte Vater Gregorius mit gewisser Genugtuung. »Ich segne Euch, denn vor Gott und seinem eigenen Gewissen hat der Hausmeier Euch geheiratet.«
»Und dieses habe ich soeben bekräftigt«, bestätigte Pippin.
»Aber ich habe niemanden geheiratet!«
Bertradas Worte gingen zwar in dem Beifall unter, den Pippin dem Abt zukommen ließ, doch der Hausmeier hatte sie dennoch vernommen. Er wandte sich an Bertrada und fragte: »Bin ich Euch denn so sehr zuwider, und wollt Ihr etwa das Wort Eures Vaters brechen?«
Da die in einem Satz vereinigten zwei Fragen nur eine einzige Antwort zuließen, schwieg Bertrada. Sie schüttelte nur den Kopf, was nicht unbedingt als Verneinung, sondern durchaus auch als Unmut aufgefaßt werden konnte.
»Dann ist ja alles in Ordnung«, erwiderte Pippin fröhlich und wandte sich an die Klosterstifterin. »Frau Berta, unsere Kehlen sind trocken und die Krüge leer«, fuhr er fort. »Und da es heute noch sehr vieles zu verhandeln gilt, solltet Ihr veranlassen, daß uns von dem guten Wein aus Burgund
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