Die Kolonie
Biest.«
Eine andere sagt: »Wir wollen nur sehen, wo du deine Eier versteckt hast, Miststück.«
Eine interessante Konstellation. Ein faszinierendes gesellschaftspolitisches Machtverhältnis: voll angezogen sein und einen nackten Menschen, der nichts als Stöckelschuhe und Schmuck am Leibe hat, festhalten und einer gründlichen Untersuchung unterziehen.
Die zwei Frauen, die zwischen seinen Beinen herumwühlen, treten zurück. Eine sagt: »Wartet mal.«
Die mit der kleinen Taschenlampe sagt: »Haltet ihn fest.« Sie beugt sich über ihn, schiebt die Taschenlampe noch tiefer hinein und sagt: »Bist du deswegen gekommen?«
»Miranda«, wie ein Gekreuzigter auf dem Tisch, versucht schluchzend, die Knie zusammenzupressen. Sich auf die Seite zu drehen und zu einer Kugel einzurollen.
Schluchzend stößt er aus: Nein. Er sagt: Aufhören, bitte. Er sagt: Das tut weh.
Ah, das tut weh. Bu-huh. Ihr tut mir weh.
Die Frau mit der Taschenlampe untersucht ihn am längsten, kneift die Augen zusammen, runzelt die Stirn, dreht die Taschenlampe in alle möglichen Winkel. Dann richtet sie sich auf und sagt: »Die Batterien sind leer.« Und blickt von oben auf »Miranda« hinab, der noch immer mit weit gespreizten Beinen vor ihr liegt.
Die Frau betrachtet den mit Make-up und Tränen beschmierten Tisch, die Perlen auf dem Fußboden, und sagt, wir sollen ihn loslassen. Sie schluckt Luft, tastet seinen Körper mit ihren Augen ab. Schließlich seufzt sie und sagt, »Miranda« soll aufstehen. Er soll aufstehen und sich anziehen. Sich anziehen und verschwinden. Verschwinden und nie mehr wiederkommen.
Eine sagt, vielleicht ist die Taschenlampe nur ausgestellt, sie will sie sich mal ansehen.
Und die Frau legt die Taschenlampe in ihre Einkaufstasche zurück und sagt: »Schluss.«
Eine sagt: »Was hast du gesehen?«
Wir haben gesehen, was wir sehen wollten, sagt die Frau. Wir haben es alle gesehen.
Die Frau mit der Taschenlampe sagt: »Was ist hier gerade mit uns passiert?« Sie sagt: »Wie konnte es so weit kommen?«
Wir haben es ihm von Anfang an zu erklären versucht. Männer haben bei uns keinen Zutritt. Hier sind nur Frauen zugelassen. Ziel unserer Gruppe ist es ...
16
Einigen von uns sind die Nächte zu lang. Anderen die Tage. Hell wird es, wenn Schwester Vigilante die Sonne aufgehen lässt, aber heute bei Sonnenaufgang ist es ein Geruch, der uns aus den Betten treibt. Ein absoluter Traumgeruch, der uns aus unseren Garderoben auf den Korridor zieht. Und wir wanken wie Zombies unserer Nase nach.
Als Direktorin Dementi auf den Flur tritt, stürzt sie beinahe zu Boden, kann sich aber noch an der Wand gegenüber abfangen. An die Wand gedrückt, um sich aufrecht zu halten, sagt sie: »Cora? Miez, Miez?«
Reverend Gottlos steht im Flur und kämpft mit dem Reißverschluss seiner Torerohose, die ihm gestern noch gepasst hat. »Das Gespenst«, sagt er, »schrumpft unsere Kleider.«
Die Glöckchenkette spannt sich Mutter Natur so eng um den Hals, dass man sie bei jedem Schlucken bimmeln hört. »Verdammt«, sagt sie, »ich hätte auf den Nachschlag von Genossin Snarky verzichten sollen.«
Aus der nächsten Tür kommt Missing Link. Er hat den Kopf so weit nach hinten gelegt, dass die Nasenhaare den höchsten Punkt seiner Gestalt bilden. Schnüffelnd schreitet er an Direktorin Dementi und Reverend Gottlos vorbei. Die Nüstern zu großen schwarzen, haarigen Löchern gebläht, geht er in Richtung Bühne und Zuschauersaal weiter.
Direktorin Dementi sagt: »Cora ...«, und gleitet zu Boden.
Aus einer anderen Tür kommt Mrs. Clark und sagt: »Wir müssen Genossin Snarky heute noch einpacken. Sie muss zu Mr. Whittier.«
Unten auf dem Fußboden sagt Direktorin Dementi: »Cora...«
»Scheißkatze«, sagt Miss America. In einer mit Drachen bestickten chinesischen Robe lehnt sie in der Tür ihrer Garderobe und klammert sich mit ihren Spinnenfingern am Türrahmen fest. Ihr Gesicht ist blass um den schwarzen Schmierfleck ihrer Lippen. Sie sagt: »Die Kopfschmerzen bringen mich noch um« und reibt sich mit einer Hand das Gesicht.
Miss America schüttelt die Robe von einer Schulter und windet einen dünnen weißen Arm heraus. Sie hebt den Arm, die schlaffe Hand, über den Kopf. In der Achselhöhle sprießen dunkle Haare. Sie sagt: »Befühlt mal meine Lymphknoten. Die sind ganz dick.«
Ihr dünner Arm ist von oben bis unten mit langen roten Kratzern bedeckt. Ein Gewirr paralleler Kratzer von Katzenkrallen.
Missing Link rückt dicht an sie
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