Die Kolonie
Wurzeln schon ein wenig braun herausgewachsen.
»Das Ding ist echt«, sagt der Alte. »Wir haben die DNA testen und mit beglaubigten Haaren von ihr vergleichen lassen. Hundertprozentige Übereinstimmung.«
Man kann noch Haar von ihr im Internet kaufen, sagt der Alte. Blondgebleichte Reste.
»Für Emanzen wie Sie«, sagt der Alte, »ist das kein Baby bloß Gewebe. Könnte genauso gut ihr Blinddarm sein.«
Ciaire liest in dem Glas wie in einem Buch. Sie sieht: Eine Lampe auf einem Nachttisch. Ein Telefon. Medikamente.
»Wessen Haar?«, sagt Claire.
Und der Alte sagt: »Marilyn Monroes Haar.« Er sagt: »Falls Sie Interesse haben: Billig ist das nicht.«
Das ist eine cineastische Reliquie, sagt der Alte. Ein Heiligtum. Der Heilige Gral aller sammelnden Monroe-Fans. Besser als die roten Schuhe aus Der Zauberer von Oz oder der Schlitten mit Namen »Rosebud«. Das hier ist das Baby, das Marilyn Monroe während der Dreharbeiten zu Manche mögen’s heiß verloren hat, als Billy Wilder sie ein ums andere Mal in Stöckelschuhen diesen Bahnsteig runterlaufen ließ.
Der Mann zuckt die Schultern. »Hab das von einem, der mir die wahre Geschichte von ihrem Tod erzählt hat.«
Und Claire Upton sah bloß den Film alter Spiegelungen in dem gewölbten Glas.
Das ist ein Erinnerungsstück, eine Reliquie wie die Hand eines Heiligen, mumifiziert und zur Anbetung in einer italienischen Kirche aufgestellt. Oder eine Haarlocke. Oder ein Toter. Das kleine Kind, das der Monroe vielleicht das Leben gerettet hätte.
Der Alte sagt: »Im Internet kann man alles zu Geld machen.« Nach Darstellung des Mannes, der ihm das verkauft hatte, hat die Monroe sich ermorden lassen. Im Sommer 1962 war sie mitten in den Dreharbeiten zu Something's Got To Give gefeuert worden. George Cukor ließ kein gutes Haar an ihr, und die Studiobosse waren stinksauer, weil sie den Drehort verlassen hatte, um auf Kennedys Geburtstagsparty zu singen. Sie war sechsunddreißig. Die Kennedys wollten plötzlich nichts mehr von ihr wissen. Sie wurde alt, und sie hatte niemanden mehr, nichts. Mit ihrer Karriere war Schluss. Das Publikum interessierte sich nur noch für Liz Taylor.
»Also hat sie's mit Raffinesse versucht«, sagt der Alte.
Es gelingt ihr, die Zeitschrift Life auf. ihre Seite zu ziehen, und die bringt tatsächlich einen großen Artikel über sie. Als sie bei den Dreharbeiten für Something's Got To Give durch Lee Remick ersetzt wird, gelingt es ihr, Dean Martin zu überreden, ebenfalls aus dem Film auszusteigen. Und sie ruft eine kleine Versammlung zusammen. In ihrem Haus in Brentwood. Eine sehr kleine Versammlung: Geladen ist nur jeweils die Spitze jedes Filmstudio-Eisbergs. Jedes Studio, das die Rechte an einem Film besitzt, in dem sie mitgewirkt hat.
»So eine raffinierte Frau«, sagt der Mann, »man sollte doch annehmen, dass sie eine Pistole in Reichweite hat. Irgendwas, womit sie sich verteidigen kann.«
Alle diese Studiobosse sitzen um ihren mexikanischen Tisch, und die Monroe trinkt Champagner und erklärt ihnen, sie wolle sich umbringen. Wenn sie ihr nicht den letzten Film zurückgeben und ihr einen neuen Millionen-Dollar-Vertrag anbieten, nimmt sie eine Überdosis. Ganz einfach.
»Filmleuten«, sagt er, »kann man nicht so leicht Angst machen.«
Diese Haie haben das Beste von ihr längst im Kasten. Die Monroe wird alt, das Publikum hat ihren Anblick satt. Wenn sie sich umbringt, vergoldet sie jeden ihrer Filme, die sie in ihren Tresoren haben. Ihre Antwort lautete: Tun Sie, was sie nicht lassen können, Lady.
»Der Mann, der mir das Glas hier verkauft hat«, sagt der Alte, »hat das direkt von einem Teilnehmer dieser Versammlung gehört.«
Die Monroe in Champagnerlaune. Die Filmbosse auf ihren Stühlen. Sie hatten ihren Plan abgesegnet. Das muss ihr das Herz gebrochen haben.
»Und da«, sagt der Alte, »ist sie wirklich raffiniert geworden.«
Sie sagt, sie ändert ihr Testament. Sicher, die Verträge, die man ihr angedreht hat, lassen ihr selbst kaum etwas übrig, aber wenigstens die ganz alten Sachen bringen ihr etwas ein, wenn sie mal wieder gezeigt werden. Die Filme, die diese Bosse in ihren Tresoren haben, werden sie eines Tages ans Fernsehen verkaufen. Das wird ein Bombengeschäft, besonders wenn sie Selbstmord begangen hat. Das weiß sie selbst. Und sie wissen es auch.
Als Tote wird sie ewig sexy bleiben. Auch wenn ihr Image diesen Bossen gehört, werden die Leute es ewig lieben. Diese Filme sind wie Geld auf der Bank, es sei
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