Die Kolonie
ihm beide Hände auf die Schultern und sagt: »Lass dir zeigen, wie sehr dein Engel dich immer noch liebt...«
Sie lenkt ihn, und Lenny setzt sich auf die Matratze. Legt sich auf den Rücken. Sie zieht ihm die vergilbten Socken von den Füßen.
»Komm schon, Baby«, sagt sie. Sie streift ihre Handschuhe ab und sagt: »Du weißt, wie gut ich's dir an den Füßen machen kann...«
Dann macht Angelique etwas, das du noch niemals gesehen hast. Sie kniet sich hin. Sie öffnet den Mund, ihre Lippen dehnen sich breit und dünn, und sie streicht mit der Zunge über Lennys Fußsohle. Angelique wölbt die Lippen um Lennys Ferse, und Lenny beginnt zu stöhnen.
Lach nicht, aber es gibt Sachen, die sind schlimmer als das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst. Ein Medienbonze, der niemals zu hohen Blutdruck hatte - tot aufgefunden in einem Zimmer im Four Seasons, Schlaganfall. Ein Rockstar, fit wie ein Turnschuh, stirbt nach einer Fußmassage im Chäteau Marmot an Nierenversagen.
Wir haben Zugang zu den Füßen von Präsidenten und Sultanen. Königen und Königinnen. Wir wissen, wie man einen Auftragsmord durchführt, dass es aussieht wie ein natürlicher Tod.
Das alles erzählt dir Angelique, als ihr im Aufzug nach unten fahrt. Nachdem Lenny stöhnend abgenippelt ist. Nachdem Angelique ihm so lange den Fuß gelutscht hat, bis er sich auf der Matratze aufrichtete, mit beiden Händen seine Brust umkrallte und sie mit offenem Mund anstarrte, während sie immer weiter an seiner Ferse saugte. Als sein Herz stehen geblieben war, zog Angelique ihm das Bettlaken bis zum Kinn. Sie wischte ihm den Lippenstift vom Fuß und frischte ihren eigenen wieder auf. Sie stöpselte seine Telefone aus und sagte den Gorillas, Lenny müsse jetzt erst einmal ein langes Schläfchen machen.
Im Aufzug erzählt dir Angelique, das war ihre letzte Fußmassage. Für diese Nummer hat sie eine Million Dollar bekommen, in bar. Die Konkurrenz hat sie angeheuert, Lenny aus dem Weg zu räumen, und jetzt steigt sie endgültig aus diesem Geschäft aus.
In der Hotelbar genehmigt ihr zwei euch einen Cocktail, damit sie den Geschmack von Lennys Fuß aus dem Mund bekommt. Nur ein letzter Drink zum Abschied. Dann sagt Angelique, sieh dir die Leute im Foyer an. Die Männer in Anzügen. Die Frauen in Pelzmänteln. Das sind alles Rolfing-Killer, sagt sie. Reiki-Killer. Kolonflexur-Attentäter.
Angelique sagt, bei der Edelsteintherapie, da braucht man einem nur einen Quarzkristall aufs Herz zu legen, einen Amethyst auf die Leber und einen Türkis auf die Stirn, und schon fällt er ins Koma und stirbt schließlich. Ein Feng-Shui-Experte braucht sich nur in ein Schlafzimmer zu schleichen und die Möbel umzustellen, um bei dem Bewohner eine Nierenkrankheit auszulösen.
»Moxibustion«, sagt sie, die Wissenschaft vom Verbrennen bestimmter Räucherkegel auf den Akupunkturpunkten einer Person, »kann töten. Shiatsu auch.«
Sie trinkt ihren Cocktail aus und nimmt die Perlenkette von ihrem Hals.
Alle diese Heilverfahren, die zu hundert Prozent mit natürlichen Wirkstoffen arbeiten und daher hundertprozentig sicher sein sollen - darüber kann Angelique nur lachen. Sie sagt, Blausäure ist auch natürlich. Arsen auch.
Sie gibt dir die Perlenkette und sagt: »Von jetzt an bin ich wieder Lentil.«
Und so möchtest du Angelique in Erinnerung behalten, nicht so, wie sie am nächsten Tag in der Zeitung zu sehen war, nachdem man sie in einem triefenden Nerzmantel aus dem Fluss gefischt hatte. Ohne Ohrringe und diamantenbesetzte Armbanduhr, damit es wie ein Raubüberfall aussah. Nicht mit tödlich gestreichelten Füßen, sondern tot auf die gute alte Art, mit einem Hohlspitzgeschoss im Hinterkopf, mitten durch ihren perfekt gestylten Zopf. Eine Warnung an alle Dirks und Dominiques, die aus dem Geschäft aussteigen wollen.
Die Klinik ruft an, nicht Lenny, sondern ein anderer russischer Akzent, er will dich zu irgendwelchen Kunden schicken, aber du traust diesen Leuten nicht. Die Gorillas haben dich mit Lentil gesehen. Oben in diesem Penthouse. Die haben garantiert noch so ein Hohlspitzgeschoss für deinen Hinterkopf auf Lager.
Deine Eltern rufen aus Florida an und sagen, sie werden dauernd von einem schwarzen Auto verfolgt, und jemand hat sich telefonisch bei ihnen erkundigt, wo du steckst. Inzwischen rennst du von einer Absteige zur anderen und besorgst es den Leuten mit Fußmassagen zu Dumpingpreisen, mit denen du dich gerade noch über Wasser halten kannst.
Du sagst deinen
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