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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Eltern: Seid vorsichtig. Du sagst ihnen, sie sollen sich von keinem massieren lassen, den sie nicht kennen. Du stehst in einer Telefonzelle und sagst ihnen, sie sollen sich niemals mit Aromatherapie einlassen. Mit Aura. Mit Reiki. Lach nicht, aber du wirst lange Zeit auf Reisen sein, vielleicht bis an dein Lebensende.
    Du kannst das nicht erklären. Dir ist das Kleingeld ausgegangen, und du kannst dich nur noch von deinen Eltern verabschieden.

3
    In der ersten Woche, immer wenn wir unsere Wellington-Steaks aßen, kniete Miss America sich vor den nächstbesten Türknauf und versuchte, das Schloss mit einem Spachtel zu knacken, den ihr der Herzog der Vandalen geliehen hatte.
    Wir aßen unseren Streifenbarsch, und Miss Rotz aß Pillen und Kapseln aus den klimpernden Gläsern in ihrem Koffer. Und hustete in ihre Faust und wischte sich an ihrem Ärmel die Nase ab.
    Wir essen Truthahn Tetrazzini, und Lady Tramp fummelt an ihrem Diamantring herum. Sie dreht den Platinring um ihren Finger und spricht zu dem dicken Diamanten, der auf ihrer Handfläche zu liegen scheint. »Packer?«, sagt sie. »Alles ist so ganz anders als erwartet.« Lady Tramp sagt: »Wie kann ich etwas Großes schreiben, wenn meine Umgebung nicht ... ideal ist?«
    Natürlich filmt Agent Plaudertasche sie mit seiner Videokamera. Graf Schandmaul zeichnet jedes Wort mit seinem Diktiergerät auf.
    Ein Hüsteln hier. Ein Hüsteln da. Hier was zu nörgeln. Da was zu meckern. Dauernd beklagt sich jemand. Miss Rotz sagt, die Luft ist voll von toxischen Schimmelsporen.
    Ein Gläserklimpern hier. Ein Hüsteln da. Niemand arbeitet. Nichts wird geschrieben.
    Der dünne Sankt Prolaps, immer hatte er den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund wie ein frisch geschlüpfter Vogel aufgesperrt, schüttete aus einer silbernen Mylar-Tüte Chili oder Apfeltorte oder Kartoffelauflauf in sich hinein. Bei jedem Schluck hüpfte sein Adamsapfel, und seine Zunge trichterte die lauwarme Pampe an seinen Zähnen vorbei.
    Der Kuppler kaute seinen Tabak, spuckte auf den fleckigen Teppich und sagte, dieses feuchte Gebäude, diese dunklen dumpfigen Zimmer, das entspreche ganz und gar nicht dem, wie er sich die Schriftstellerkolonie vorgestellt habe: Leute, die mit der Hand schreiben und dabei auf weite grüne Wiesen schauen; Autoren, die in ihren eigenen kleinen Hütten ihr Essen verzehren. Gärten mit Aprikosenbäumen in Wolken weißer Blüten. Mittagsschläfchen unter Kastanien. Krocket.
    Noch bevor sie überhaupt anfing, ihr Drehbuch, ihr Meisterwerk, grob zu strukturieren, sagte Miss America, sie könne nicht arbeiten. Ihre Brüste seien zu wund zum Schreiben. Ihre Arme zu müde. Wenn sie das heutige Kalbsschnitzel rieche, kämen ihr die Krabbenpuffer von gestern wieder hoch.
    Ihre Regel war schon seit einer Woche überfällig.
    »Häuser können krank machen«, erklärte Miss Rotz. Ihre blutrote Nase, schon ganz schief, wurde im Profil an einer Wange geputzt.
    Lady Tramp fuhr mit den Fingern über die geschnitzten Stuhllehnen und zeigte uns den Staub. »Sieh dir das an«, sagte sie dem dicken Diamanten in ihrer Hand. »Packer? Packer, das ist nicht akzeptabel.«
    In unserer ersten Woche in diesem Verließ hatte Miss Rotz Husten und atmete mit den gedehnten tiefen Tönen einer Pfeifenorgel.
    Miss America rüttelte an verschlossenen Türen. Zog die grünen Samtvorhänge im italienischen Renaissance-Salon beiseite und fand dahinter zugemauerte Fenster. Mit dem Griff ihres rosa Bauchtrainers zertrümmerte sie ein Buntglasfenster im gotischen Raucherzimmer und fand dahinter eine Wand, ausgestattet mit künstlichen Lichtquellen, die Tageslicht vortäuschen sollten.
    Das Louis-quinze-Foyer: Sessel und Sofas, mit kornblumenblauem Samt bezogen, die Wände überladen mit Gipsschnörkeln und vergoldeten Ornamenten. Dort stand Miss America in ihrem rosa Spandex-Freizeitdress und verlangte den Schlüssel. Ihr Haar, eine Ozeanwelle in blond, die sich an ihrem Hinterkopf in Kringeln und Löckchen brach, sie brauchte den Schlüssel, weil sie mal für ein paar Tage aus dem Haus musste.
    »Sie sind Romanschriftstellerin?«, fragte Mr. Whittier. ' Schlaff ruhten seine Hände auf den Chromlehnen des Rollstuhls, aber seine Finger tippten ein unsichtbares Telegramm. Seine faltigen, von Adern überzogenen Hände hörten nie auf zu zittern.
    »Ich schreibe Drehbücher«, sagte Miss America. Die Fäuste auf ihren rosa Spandexhüften.
    Er sah sie an, die große Schlanke. »Selbstverständlich«, sagte Mr.

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