Die Kolonie Der Catteni
und Weise ansprach. Nun, sagte sie sich, sie hatte wirklich keinen Grund, die Würde eines anderen Lebewesens zu verletzen, wenn sie sich selbst heftigst gegen solche Übergriffe wehrte. Kris hatte ein ausgeprägtes Gefühl für Fairneß. Sie mochte ihn zwar niedergeschlagen haben, um ihre Tugend zu bewahren, aber darüber hinaus fühlte sie sich verpflichtet, ihm seine Lage so angenehm wie möglich zu machen. Wie lange würde er wohl bewußtlos bleiben? Und wenn er erst einmal das Bewußtsein wiedererlangte – was würde er mit ihr tun? Nun, sie konnte dann immer noch auf die gesetzliche RevancheRegelung der Catteni verweisen! Allerdings war es durchaus wahrscheinlich, daß diese Regel nicht für Sklaven oder Nicht-Catteni galt. Sie durchsuchte die Spinde nach etwas, womit sie ihn fesseln könnte. Es gab zwar ein kräftiges Seil, jedoch keine Kette, und diese wäre die einzige Art von Fessel gewesen, die der Kraft eines Catteni hätte standhalten können.
Sie ließ sich in den Pilotensessel sinken und rekapitulierte noch einmal ihre Erlebnisse. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Und er war fast zu Ende. Und wenn sie ihn dorthin zurückbrachte, woher er gekommen war? Da die Dunkelheit bereits hereinbrach, wäre mit lebhaftem Rückreiseverkehr in die Stadt zu rechnen, so daß dieser gestohlene Flitzer nicht auffallen würde, jedenfalls nicht nach fünf Monaten. Wie lange hielten Catteni ein öffentliches Fahndungsersuchen aufrecht? Vierundzwanzig Stunden? Vielleicht für cattenische Emassis, aber nicht für entflohene Sklaven – das hieß, falls überhaupt jemand ihr Verschwinden bemerken sollte. Sie schaltete die Kontrollen ein und vertraute auf seine Aussage, daß der Tank noch halbvoll wäre. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, was die Tankanzeige angegeben hatte, als sie floh, aber der kleine Flieger sollte eigentlich sehr wirtschaftlich sein, was auch der Grund dafür war, daß so viele in Gebrauch waren.
Sie kannte die Koordinaten der Stadt, die etwa zwei Flugstunden entfernt war, und sie hatte sicherlich genügend Treibstoff, um wieder zurückzufliegen. Kein Thema. Sie mußte Mahomet abladen. Am besten irgendwo in den Außenbezirken, wo der Anblick eines reglosen Körpers in irgendeiner Häusernische nichts Ungewöhnliches war. Nun, vielleicht nicht in den Außenbezirken, wo die Sklaven und Herumtreiber in ihrem Schmutz lebten. Aber es gab ja noch all die Versammlungsplätze, wo die Catteni ihre militärischen Schulungen und öffentlichen Kundgebungen abhielten. Sie hatte zusammen mit der Köchin ihres »Meisters« ein oder zwei dieser Veranstaltungen besucht, denn ihre Chefin fand, daß solche Darbietungen dazu beitrugen, die Disziplin aufrechtzuerhalten. Der Anblick eines Übeltäters, der mit Energiepeitschen vom Leben zum Tode befördert worden war, reichte ihr voll und ganz. Er weckte in ihr lediglich den sehnlichen Wunsch, eine derartige Darbietung nicht noch einmal zu sehen.
Vorsichtig lenkte sie den Flitzer rückwärts aus dem Dickicht heraus. Sie hatte bei der Landung wirklich großes Glück gehabt, denn keinesfalls war sie so geplant verlaufen, wie sie es Mahomet gegenüber behauptet hatte. Sie hatte in der Nacht ihrer Flucht nicht auf den Höhenmesser geachtet oder bemerkt, daß die Ebene rund um die Stadt in eine bergige Landschaft übergegangen war. Sie hatte gespürt, wie irgend etwas am Rumpf ihres Flitzers kratzte, und war dadurch in Panik geraten. Dann war die Nase des Flitzers weggesackt. Sie steckte mitten in dem Dickicht und wurde von den Büschen mit unzähligen Pfeilen bepflastert, ehe sie ihren Fehler korrigieren konnte. Es hatte geklappt. Kris hatte den tiefen und zwingenden Glauben, daß am Ende alles gut ausging -falls man das Ende heil erlebte.
Sie lenkte den Flitzer nach Südosten, aber nicht ohne vorher erneut die Koordinaten ihres Verstecks überprüft und gespeichert zu haben. Sie würde wohl bei Tageslicht zurückkehren müssen, wenn sie das Dickicht nicht verfehlen wollte. Die Äste und Zweige schlossen sich sofort, nachdem der Flitzer sich aus ihrer Umarmung befreit hatte. Die Lichter der Stadt leiteten sie viel zuverlässiger als ihr Kurs-Leitsystem. Lediglich die Bewegung der Nadel auf einem der Anzeigeinstrumente verriet ihr, daß es sich um einen Kompaß handelte. Sie nahm an, daß es so etwas wie einen Autopiloten gab, aber bisher hatte sie noch nicht den dazugehörigen Schalter gefunden. Ihre Flugkenntnisse verdankte sie den täglichen Trips mit der
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