Die Kommissarin und der Tote im Fjord
betrachtete sie. Nervös? Vielleicht ein bisschen. Aber auch auf der Hut.Sie sahen sich an. Lena spürte ein Ziehen im Bauch und senkte den Blick.
Steffen war ein attraktiver Mann. Das hatte ihr Körper schon festgestellt. Gleichzeitig hatte sie große Angst, dass dieses Gefühl nach außen allzu sichtbar würde, und traute sich deshalb nicht, sofort wieder aufzusehen. Also griff sie nach dem Glas, hob es mit immer noch gesenktem Blick zu einem Skål und trank.
Es war ein dunkles Ale, das etwas bitter schmeckte, aber nicht unangenehm. Dennoch: Während sie schluckte, fühlte es sich an, als sollte sie sich davon lieber fernhalten.
Nein, sagte sie zu sich selbst. Nicht an Krankheit denken. Nicht jetzt.
Steffen Gjerstad sagte etwas, aber seine Worte ertranken in der Musik.
Sie hob den Kopf. »Was hast du gesagt?«, rief sie und trat etwas näher.
»Warum hast du so lange gewartet, bevor du angerufen hast?«
Sie zuckte noch einmal mit den Schultern.
Er stand noch in derselben Positur, seitlich an die Bar gelehnt. Jetzt war sie an der Reihe, etwas zu sagen.
»Warum hätte ich anrufen sollen? Du bist nicht einmal Kriminaljournalist.«
Er lachte laut. »Du hast mich gegoogelt?«
Sie lächelte automatisch zurück. Etwas entspannter lehnte sie sich mit dem Rücken an den Tresen und ließ ihren Blick durch das Lokal wandern. Gleichzeitig hatte sie Konzentrationsprobleme. Sie brauchte Ruhe, Harmonie. Am besten wäre es, sie führe nach Hause, ließe sich ein Bad einlaufen und entspannte sich.
Ein Tisch am Fenster war frei. Er kam ihr zuvor, nickte zu dem Tisch und sagte: »Bist du dabei?«
Dann saßen sie sich gegenüber. »Die Information, die du Fartein Rise gegeben hast, war nicht wasserdicht«, sagte sie, »aber ich war dumm genug, sie zu überprüfen.«
»Wieso das?«
»Aud Helen Vestgård. Ich habe gefragt, ob sie am Mittwochabend mit Adeler zusammen war. Aber sie hatte keine Ahnung, wovon ich sprach.«
»Sie lügt.«
Die Antwort kam überraschend schnell und selbstsicher.
»Bevor du mir erzählst, warum ich dir glauben soll und nicht ihr, kann ich dir erzählen, dass ich dafür bereits eine Rüge wegen unangemessenen Auftretens gegenüber einer Person des öffentlichen Lebens eingesteckt habe.«
Er stieß einen Pfiff aus.
»Gib’s zu«, sagte sie. »Du hast keine Ahnung, was Adeler am Mittwochabend gemacht hat, am allerwenigsten, mit wem er zusammen war.«
Steffen, der vorgebeugt dagesessen hatte, das Kinn auf die Hände gestützt, richtete sich jetzt auf und betrachtete sie stumm und nachdenklich.
»Warum hast du Fartein Rise die Information gegeben und nicht mir?«
»Du wolltest ja nicht mit mir sprechen«, sagte Steffen. »Ich habe angerufen. Du bist nicht drangegangen, und du hast auch nicht zurückgerufen.«
Lena schlug erneut den Blick nieder.
»Ich kenne Rise aus der Zeit, als ich in Bergen gearbeitet habe«, fuhr er fort. »Wir haben uns gestern getroffen. Er ist neu hier im Job. Ich habe ihn gefragt, wie es ihm gefiele, und da tauchte dein Name auf. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich am Kai getroffen und dass ich versucht hätte, dich anzurufen, weil ich wüsste, was Adeler am Mittwochabend gemacht hat.«
Sie kam sich blöd vor. »Das sollte jetzt auch kein Verhör werden«, sagte sie. »Ich war nur etwas perplex, als Aud Helen Vestgård mir so vehement widersprochen hat.«
»Klar«, sagte Steffen eifrig. »Aber es ist Unsinn, wenn Vestgård behauptet, Sveinung Adeler nicht zu kennen. Die beiden kennen sich sehr gut. Sie war fast eine Art Mentor für ihn. Das ist allgemein bekannt. Adeler war ein Partylöwe, sie Parlamentsabgeordnete …«
Lena hob abwehrend beide Hände: »Okay, eine von deinen Quellen sagt, dass Adeler am Mittwochabend mit Vestgård essen war. Wo?«
Steffen grinste: »In Grefsen. Flamingo Bar und Restaurant – ein anonymer Treffpunkt. Der lokale Geheimtipp da oben. Und warum haben sie sich gerade da zum Essen getroffen?« Er hob den Zeigefinger. »Ich vermute, weil sie keine Aufmerksamkeit erregen wollten.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Lena skeptisch. »Hatten sie ein Verhältnis?«
Steffen ließ das Glas zwischen seinen Fingern rotieren. Es war leer. Er stand auf. »Noch eins?«
»Rotwein«, antwortete sie schnell.
Nur ein Glas, sagte sie zu sich selbst. Sie konnte sich erlauben, so lange sitzen zu bleiben, wie Steffen ihr relevante Informationen gab. Sie beobachtete, wie er bestellte. Er kannte die Barkeeperin offensichtlich, eine hübsche,
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