Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Vorfalls aufgehalten haben?
Es waren zwei Obdachlose, die sich jede Nacht einen Schlafplatz ergaunerten.
Sie hatten sicher einen Ort gewählt, der sie vor dem Wind schützte. Es war bestimmt ein Ort, an dem sie ungesehen blieben und nicht riskierten, von der Polizei gestört zu werden …
Plötzlich blieb sein Blick an etwas hängen, das nicht so war, wie es sein sollte. Ein Detail auf dem gegenüberliegenden Kai. Ganz außen auf dem Rathauskai 2 lag ein umgekippter Müllcontainer.
Gunnarstranda ging zurück und wanderte auf den nächsten Kai, um sich die Sache genauer anzusehen.
Tatsächlich, das war ein schlaues Versteck. Der Container war aus Plastik, hatte vier Räder und war anderthalb Meter breit und ebenso tief. Der Deckel war offen und lehnte an der Wand, so dass diejenigen, die darin schliefen, vor Schnee und Wind geschützt waren.
Er sah in den Container hinein. Dort hatte tatsächlich jemand geschlafen. Der Container war mit Pappe ausgelegt. Er sah deutliche Abdrücke von menschlichen Körpern zwischen den Pappteilen. Und er sah einen zerrissenen Schlafsack. Nur einen. Der andere war nicht mehr hier, dachte er. Den hatte Stig mitgenommen. Er hatte in dem Rohbau in Grønland gelegen, in Stigs kleinem Versteck.
Hier hatten die beiden die Nächte verbracht, in einem leeren Müllcontainer, isoliert mit Pappe und Luft. Draußen auf dem Kai war im Winter niemand, keine Touristen, keine Polizisten.
Aber dann hatten die beiden eines Morgens hier gelegen und beobachtet, wie Adeler vom gegenüberliegenden Kai ins Wasser gestoßen wurde. Sie hatten zugesehen, wie er ermordet wurde.
Und der Täter hatte nur Nina entdeckt. Aber warum?
Vielleicht war sie schon aufgestanden?
Auf jeden Fall war sie geflohen, während Stig liegen blieb.
Später, als Stig erfuhr, dass Nina von der T-Bahn überfahren und tot war, hatte er verstanden. Als Gunnarstranda zu ihm kam, hatte Stig beschlossen, sich an den Täter zu wenden. Ein Entschluss mit fatalen Konsequenzen.
Der Schlafsack im Müllcontainer war ein Beweis. Wenn sie Glück hatten, würde das Labor DNA-Spuren finden und mit denen von Nina vergleichen können. Ein Beweis also – aber es musste noch mehr geben. Gunnarstranda brauchte die Spurensicherung. Er holte eine Rolle Absperrband aus der Tasche und begann, den Bereich abzusperren.
4
»Hier ist Steffen. Wo bist du?«
»Zuhause«, sagte Lena.
»Was machst du?«
Lena öffnete den Vitrinenschrank über der Anrichte mit dem Telefon am Ohr. In Reih und Glied standen die Kristallgläser, die sie im Sommer auf ihrer Pragreise gekauft hatte. Sie hob ein Glas herunter. »Was ich mache?« Sie ging zum Kühlschrank und holte eine der Piccoloflaschen aus dem unteren Fach. Las das Etikett. Das war ein richtig guter. Henri-de-Verlaine-Sekt. »Was glaubst du, was ich tue? Mir die Schamhaare rasieren natürlich, machen das nicht alle Frauen, wenn du anrufst?« Sie drehte den Korken heraus, mit dem Hörer am Ohr.
Dann füllte sie das Glas und nippte an dem edlen Tropfen. Brut. Wunderbar.
Steffen gluckste. »Du hast gewonnen, Lena. Du bist die Prinzessin, und ich bin verzaubert.«
Danke gleichfalls, dachte sie in der Stille, die darauf folgte. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Eigentlich war sie die Verzauberte.
»Jetzt ist der Moment, wo du fragen solltest, was ich grade tue«, sagte er.
Lena zog die Schulter hoch und klemmte das Telefon zwischen Kopf und Schulter, während sie von dem Sekt trank. »Okay«, sagte sie. »Was machst du gerade?«
»Ich stehe vor deiner Tür.«
Im selben Moment klingelte es.
Lena blieb stehen. »Ich kann dir gar nichts anbieten«, sagte sie. »Nichts.«
»Wie gut, dass ich ein bisschen Sekt mitgebracht habe.«
Lena griff nach der leeren Piccoloflasche, öffnete denSchrank mit dem Abfalleimer und warf sie hinein. »Was für eine Marke?«, fragte sie.
»Bollinger«, sagte Steffen. »Der, den James Bond immer trinkt. Wenn du Lust auf ein Glas hast, müsstest du die Tür aufmachen.«
Lena döste ein und hörte von weitem, dass Bel Cantos Retrospekt immer noch lief. Sie öffnete die Augen.
Steffen kam aus dem Badezimmer und fragte, wie spät es sei.
Sie griff nach ihrer Armbanduhr, die auf dem Nachttisch lag. »Zwei Minuten vor elf.«
Als er gegangen war, blieb sie liegen und horchte in sich hinein. Das Gefühl, das sie wahrnahm, erinnerte fast an Traurigkeit. Es wäre schön gewesen, wenn er länger hätte bleiben können. Am besten über Nacht.
Die CD war zu Ende.
Sie
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