Die Kompanie der Oger
Hand abzuwehren. Dafür brauchte es mehr als Stärke. Dafür war Geschick nötig. Frank war bemerkenswert wendig. Es war nicht die Anmut eines Tänzers, die Eleganz eines Fechters. Oger waren dafür nicht gebaut. Es war die Kunst der Schlägerei, die selbstsichere Art eines außergewöhnlichen Boxers. Keine einzige überflüssige Bewegung. Jeder Schlag mit tödlicher Präzision ausgeführt. Jedes Mal, wenn sich Kevin auf ihn stürzte, erhielt er einen Schlag auf den Schnabel, immer und immer wieder.
Miriam öffnete die Augen. Die schwarzen Kugeln waren jetzt buchstäblich blutrot. Blutige Tränen rannen ihr über die Wangen. Die Adern ihrer Finne pochten. Ihr Körper zitterte. Die Pflastersteine barsten um ihre Füße herum. Was auch immer die Sirene vorhatte, Regina hoffte, es würde schnell gehen. Auch mit all seinem Geschick und seiner Stärke konnte Frank Kevin nicht ewig aufhalten.
Kevin hatte es satt, ständig auf seinen schmerzenden Schnabel geschlagen zu werden, und versuchte, Frank unter seinem Fuß zu zerquetschen. Der Versuch warf Frank auf den Rücken, wo er seine immensen Muskeln anspannte, um Kevin davon abzuhalten, ihn zu pulverisieren. Es war ein zum Scheitern verurteilter Versuch. Der Fuß fiel Zentimeter um Zentimeter, bis er auf seine Brust drückte.
Kevin kicherte. »Stirb, Ned.«
»Ich bin … nicht… Ned«, keuchte er.
Kevins Stirn legte sich in Falten. Es war das erste Mal, dass sich die Stirn eines Rochs runzelte - eigentlich waren Rochs zu diesem Ausdruck gar nicht in der Lage. Nur die schwarze Magie, die durch seine Venen jagte, erlaubte es Kevin, dies zu tun. Er zuckte die Achseln. Auch das war eine Roch-Premiere. »Du genügst.«
Ein Wurfspieß bohrte sich in seinen Hals. Grünes Blut schoss aus der Wunde. Franks gewaltige Muskeln fanden neue Kraft und schoben das benommene Biest von ihm herunter. Er schlang seine Hände zusammen und hieb Kevin ins Gesicht. Die Kraft ließ den Kopf des Rochs zurückschnellen und wirbelte seinen gesamten Körper herum. Sein gewundener Schwanz peitschte hervor, traf den Oger. Frank wurde quer über den Hof geschleudert und traf eine Wand hart genug, um sie zu durchschlagen.
»Frank!«, rief Regina, obwohl sie nicht genau wusste, warum.
Kevin, dem das Blut von den Wurfspießen tropfte, die seine Haut durchbohrten, wandte seine Aufmerksamkeit der Amazone zu. Regina machte sich bereit, einen weiteren Speer zu werfen, würde Kevin aber wohl nicht stoppen können.
»Was auch immer Sie tun, tun Sie es schnell«, sagte sie zu Miriam.
Es gab einen Ton hinter den Skalen der Melodien, den die verdrehten Götter der Harmonien versteckt hatten. Er war nicht von dieser Welt, aber er war der Sirenenrasse bekannt. Andere Rassen sprachen nur flüsternd von ihm. Sirenen sprachen gar nicht darüber, aus Angst, ein Ausrutscher in ihren verzauberten Stimmen könnte Kontinente in die Luft jagen. Er konnte nicht gelehrt werden. Er konnte nur von einer Sirene mit genügend Verzweiflung und Geschick gefunden werden. Miriams Stimme war nach Sirenenmaßstäben gerade mittelmäßig, aber sie war verzweifelt. Und sie fand ihn.
Ihre Lippen öffneten sich kaum. Der finale Ton war still, aber niemand hätte es gehört, wenn sie ein Geräusch gemacht hätte. Denn die Erde polterte und die Wolken kreischten. Miriams Lied strömte aus ihrer Kehle, wuchs aus ihrem Mund zu einer sechs Meter breiten Explosion von kochender Luft und schneidenden Winden. Die Pflastersteine hoben sich von selbst in die Luft. Der Ton ergoss sich über Regina und warf sie zu Boden. Er raste in den Roch, der sich mit Mühe gegen den Sturm stemmte. Die Bö raste weiter, zerbröckelte eine kleine Wachhütte, die nicht mehr genutzt wurde. Dann zerschmetterte sie einen Teil der Außenmauer der Kupferzitadelle. Immer weiter setzte sie ihren Weg fort, schabte das Gras von der Erde, entwurzelte Bäume und gefror den meilenweit entfernten Fluss. Bis dahin war ein Großteil ihrer Macht verbraucht und der Ton ergab sich dem Wind, der ihn in den Himmel riss, wo er eine flauschige weiße Wolke infizierte. Die Wolke verdunkelte sich und wurde wütend. Für die nächsten sechs Jahrhunderte würde sie die Himmel durchwandern, auf der Suche nach Hochzeiten, Erntedankfesten und anderen freudigen Anlässen, auf die sie Ziegel, flammenden Hundekot oder tote Käfer regnen lassen konnte.
Es war gut, dass Miriams Stimme nicht auch nur etwas geschulter war, sonst wäre die gesamte Kupferzitadelle zerstört worden, zu einem
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