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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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angesehen. Darüber hinaus habe ich selbst mit mehreren Leuten gesprochen. Ihr Hayden war ein
schwieriger Typ, wenn auch mit einer gewissen Wirkung, zumindest auf Frauen.«
    Ich biss die Zähne zusammen, um ja nichts zu sagen. Freiwillig würde ich bestimmt keine Informationen oder Meinungen preisgeben, es sei denn, ich wurde ausdrücklich dazu aufgefordert.
    »Dass er eine schwierige Seite hatte, steht außer Zweifel«, fuhr Brook fort. »Jedermanns Fall war er definitiv nicht.«
    Immer noch keine Frage.
    »Beim Durchgehen der Akte«, fuhr er fort, »habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Leute bezüglich seiner Person sehr geteilter Meinung waren. Die einen liebten ihn, die anderen hassten ihn. Oder waren wütend auf ihn. Sehr wütend.« Er sah mich an. »Waren Sie jemals wütend auf ihn?«
    Alles im Raum kam mir plötzlich ein wenig verschwommen vor, als würden sowohl die Gegenstände als auch die Menschen ihre Konturen verlieren. Wie lange hatte ich letzte Nacht geschlafen? Eine Stunde? Oder noch weniger? So wurden Leute vor Verhören gefoltert. Man ließ sie nicht schlafen. Ich hatte das selbst erledigt und mich in diesem Zustand der Polizei ausgeliefert.
    »Warum fragen Sie mich das?«, wandte ich mich an Brook. »Warum stellen Sie mir überhaupt all diese Fragen? Worauf wollen Sie hinaus? Er ist tot. Was spielt es jetzt noch für eine Rolle, welche Gefühle ich für ihn hatte? Das ist alles vorbei. Aus und vorbei.«
    Mir war klar, dass ich entweder leicht betrunken oder leicht wahnsinnig klang. Als würde ich demnächst die Kontrolle verlieren. Brook nickte nur und lächelte mich mitfühlend an.
    »Es geht mir dabei um Verhaltensmuster«, erklärte er. »Jedes Detail könnte wichtig sein.« Er legte eine Pause ein, als erwartete er von mir eine Antwort, die jedoch nicht kam. Allmählich wirkte seine Miene etwas besorgt. »Haben Sie uns wirklich alles gesagt, was Sie wissen?«

    »Mir ist nicht so ganz klar, wie Sie das meinen«, entgegnete ich. »Ich werde jede Frage beantworten, die Sie mir stellen.«
    »Meine Kollegin hat recht«, meinte er daraufhin, »Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Schlafen Sie nicht gut?«
    »Doch, eigentlich schon.«
    Er beugte sich so weit über den Tisch, dass er mir unangenehm nahe kam. Ich konnte nicht nur die feinen Lachfalten rund um seine Augen sehen, sondern auch die winzigen geplatzten violetten Äderchen an seinen Wangen.
    »Ich arbeite nun schon seit zwanzig Jahren in dem Job«, erklärte er, »und dabei habe ich eines gelernt: Wenn man endlich reinen Tisch macht und sich alles von der Seele redet, fühlt man sich hinterher unsäglich erleichtert. Das bekomme ich von den Leuten danach immer zu hören. Sie danken mir und sagen, dass sie sich zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder sauber fühlen.«
    Ich wusste, dass er recht hatte. Am liebsten hätte ich ihm auf der Stelle die ganze Geschichte erzählt  – und zwar so, wie ich sie bisher noch niemandem erzählt hatte. Doch damit hätte ich Neal und Sonia ins Verderben gestürzt, die beide nur in diese missliche Lage geraten waren, weil sie mir hatten helfen wollen  – auch wenn sie dabei jeweils von falschen Voraussetzungen ausgegangen waren.
    »Ich habe alle Fragen beantwortet«, stieß ich hervor, »mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    »Sie waren diejenige, mit der er eine Affäre hatte«, erwiderte Brooke, »und zwar angeblich eine recht stürmische.«
    »Wer behauptet das?«
    »Allem Anschein nach sind da zwei Menschen aufeinandergetroffen, die beide ihren eigenen Kopf hatten und ein gewisses Temperament. Ihre Beziehung hatte ihre Höhen und Tiefen, nicht wahr?«
    »Eigentlich war es gar keine richtige Beziehung«, widersprach ich.

    »Wollten Sie mehr?«
    Mir war klar, dass er immer noch versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln und mir vielleicht sogar eine unbedachte Äußerung zu entlocken, die mich verriet. Statt einer Antwort zuckte ich nur mit den Achseln.
    »Ich könnte mir vorstellen, dass es zwischen Ihnen zum Streit kam«, sagte er, »oder fast schon zu einem Kampf. Er geht auf Sie los, Sie greifen nach etwas und schlagen damit nach ihm. Falls Sie etwas in dieser Art zugeben und sich eine gute feministisch eingestellte Anwältin besorgen, könnten Sie mit einem milden Urteil wegen Totschlags davonkommen.« Als ich noch immer nicht antwortete, verfinsterte sich seine Miene.
    »Aber wenn Sie nicht gestehen und man Ihnen am Ende doch etwas nachweisen kann, dürfte es eher nach vorsätzlichem Mord

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