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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Schwefel auf den Köpfen war gelber Phosphor beigemischt, damit sich die Flamme schneller entzündete. Inzwischen waren solche Zündhölzer verboten. Der Phosphor tötete ebenfalls, wenn man ihn aß. Mulan konnte den Blick nicht von den beiden Tüchern und ihrem Inhalt abwenden.
    Draußen knallten die Feuerwerkskörper. Aufgeregte Stimmen und Rufe. Sie hörte sie nicht. Sie war hinübergeglitten in eine Welt, in die nichts eindringen konnte. Keine Freude, kein Gefühl. Aber auch kein Leid. Sie dachte darüber nach, wen sie umbringen sollte. Liu Guangsan? Oder sich selbst? Auf ihrem Schoß schlief der kleine Tongren, eine seiner kleinen Händchen hielt den Zeigefinger der Mutter fest umklammert.
    Tsingtau, 20. April 1904
    Liebe Martha,
     
    bitte verzeih, dass ich schon so lange nicht mehr geschrieben habe, aber seit einigen Wochen muss ich neben den Auftritten mit der Musikkapelle und meiner Arbeit für Artilleristenmaat Fauth auch verstärkt Dienst als Wachsoldat tun. Ihr habt in der Heimat sicher gehört, dass japanische Kanonenboote die russische Pazifikflotte angegriffen haben. Seitdem sind wir in erhöhter Alarmbereitschaft. Außerdem ist der Postweg über Sibirien gesperrt, möglicherweise erreicht Euch mein Brief ohnehin erst in einigen Monaten.
    Ich habe mich sehr gefreut zu erfahren, dass meine neue Nichte nach einer Lungenentzündung wieder wohlauf ist, meine liebe Martha. Bitte mach Dir jetzt nicht auch noch Sorgen um Deinen Bruder. Für mich besteht keine unmittelbare Gefahr. Das Leben hier in Tsingtau geht im Großen und Ganzen weiter wie immer – bis auf die russischen Verwundeten, die in die Hospitäler gebracht werden. Ich glaube, die armen Kerle sind unserem Kaiser sehr dankbar, dass er die Öffnung des neuen Lazaretts für sie genehmigt hat. Es ist beinahe fertig: Fünf größere und ein kleinerer Pavillon, mit allen modernen medizinischen Einrichtungen ausgestattet, stehen uns jetzt zur Verfügung. Das Hospital hat außerdem eine eigene Station für Frauen und Kinder, einen Isolierpavillon, eine Apotheke und ein bakteriologisches Laboratorium nebst Tollwutstation, ein Röntgenlaboratorium, eine Garnisons-Waschanstalt sowie ein Leichenschauhaus mit Sektionsraum. Da staunst Du, was? Ja, wir leben hier auch nicht hinter dem Mond. Der Sektionsraum wird von den chinesischen Ärzten mit gehörigem Misstrauen betrachtet, da das Aufschneiden von Leichen hier nicht üblich ist. Bis das neue Lazarett fertig wurde, waren die Kranken übrigens behelfsmäßig in Baracken untergebracht.
    Auch die fachkundige Versorgung der Kranken ist gesichert. Vier Schwestern des Frauenvereins des Roten Kreuzes leben zurzeit in Tsingtau, und vor einem Jahr hat sich hier auch der Tsingtauer Frauenverein für die Krankenpflege gebildet. Das prominenteste Mitglied der Gründungsriege ist wohl Anna Truppel, die Frau des Gouverneurs.
    Die Chinesen haben seit drei Jahren ihr eigenes Krankenhaus. Es wird von einem deutschen Arzt geführt. Die Chinesenklinik wird unter der Leitung der Weimarer Mission betrieben und steht damit auch unter Aufsicht von Richard Wilhelm, von dem ich Dir schon erzählt habe. Ich glaube, es gibt kaum einen Bereich des deutsch-chinesischen Zusammenlebens, in dem er nicht tätig ist. Er scheint alles zu können – außer zu missionieren. Mich würde ja schon einmal interessieren, was die Leitung der Weimarer Mission davon hält.
    Viele junge Damen der Gesellschaft haben sich als Hilfe bei der Pflege der verletzten Russen angeboten. Besonders beliebt ist der Dienst bei den jungen Offizieren. Ich glaube, Gouvernementsarzt Harry Koenig ist gar nicht so begeistert von den vielen freiwilligen Helferinnen, die ja keinerlei Erfahrung in der Pflege haben und deshalb oft mehr Arbeit machen als Gutes ausrichten. Manchmal muss er sein ganzes diplomatisches Geschick aufwenden, um weitere der eifrigen jungen Damen abzuwimmeln.
    Harry Koenig ist ein freundlicher Mann, trotz seines schweren Berufes. Es ist nicht einfach, einem jungen Soldaten einen Arm oder ein Bein abzunehmen. «Was hätten diese jungen Menschen ohne diesen vermaledeiten Krieg noch für eine Zukunft gehabt», das habe ich ihn mehr als einmal sagen hören. Koenig kann sehr ausgiebig fluchen. Aufgrund seines diesbezüglichen Wortschatzes hat er es sogar zu einer gewissen Berühmtheit unter den Kolonen gebracht. Glücklicherweise verstehen nur die wenigsten seiner russischen Patienten seine deftigen Kraftausdrücke.
    Die Damenwelt ist auch sonst gehörig in

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