Die Konkubine
und kein Singen mehr – die Jadebecher,
sie sind leer, Aus der Lampe flackert dunkles Licht.
In meinem Traum ist alles übervoll von Einsamkeit und Klage, Und ein Laut doch: Der Kuckuck ruft.
Im selben Augenblick vernahm er das Zwitschern der Vögel. Der Morgen war schon angebrochen. In diesem Moment hörte er das Schlurfen nackter Füße. Gut, sein Leibdiener kam bereits vom Haus des Gouverneurs zurück. Der gelbhaarige Soldat sei ein Musiker, er spiele Trompete in der Marinekapelle, erzählte er. Und er sei Friedrich Fauth, dem Haushofmeister des deutschen Gouverneurs, als Helfer zugeordnet.
Liu Guangsan entließ den Mann lächelnd. So war also doch nicht alles umsonst gewesen. Nun musste er Mulan nur noch davon überzeugen, dem Retter einen kleinen Brief mit der Bitte um ein heimliches Treffen zukommen zu lassen. Seit ihren Erlebnissen beim Aufstand der Yihetuan hasste sie die Fremden. Ah, seine Mulan! Sie wirkte so zart, so verletzlich, war jedoch in Wirklichkeit eine Löwin. Aber sie war eben auch nur eine Frau und dazu bestimmt, als Werkzeug für die höhere Sache zu dienen. Liu Guangsan beschloss, sie ausruhen zu lassen. Er würde später mit ihr sprechen.
Er verlor beinahe die Fassung, als sie sich weigerte zu tun, was er von ihr verlangte. Ein solches Benehmen war unerhört. Dann beruhigte er sich. Er kannte jemanden, der sie überzeugen würde. Liu Taitai wunderte sich über die kleine Nachricht, die sie auf den Befehl des Gatten hin schreiben musste. Doch Guimei tat gehorsam, was er von ihr verlangte, und fragte nicht nach. Wie es sich gehörte.
Kapitel 3
KONRAD VERHIELT SICH möglichst unauffällig. Auf diese Weise hatte er Gelegenheit, die Runde zu beobachten, in die er da geraten war. Momentan fühlte er sich nicht als der Held, als den man ihn eingeladen hatte, sondern eher als fünftes Rad am Wagen. Für diesen Tag war er als Leibwächter Truppels abkommandiert. Richard Wilhelm erzählte gerade mit geröteten Wangen von seinen Plänen, die chinesischen Klassiker ins Deutsche zu übersetzen. Ja, er schwärmte regelrecht davon. Er war als einer der wenigen Männer in der Runde glatt rasiert. Die Augen hinter der randlosen Nickelbrille blitzten. Wenn er sich nicht sehr täuschte, dann war dieser Mann Schwabe, so wie Eugen Rathfelder. Seine Sprachmusik verriet ihn, auch wenn er sich bemühte, Hochdeutsch zu sprechen. Das klang manchmal ein wenig betulich.
Liu Guangsan, der Hausherr, lächelte nur. Der Maiban saß zu Ehren seiner Gäste in seinem gefütterten seidenen Festtagsrock in einem reich geschnitzten Stuhl mit einer halbhohen Lehne, die Platte des Tisches brach unter der Menge der aufgetragenen Speisen fast zusammen. Für den Gefreiten Gabriel war an dieser Tafel kein Platz. Ein Diener hatte ihm eine Schale mit Reis und Kohl, angerichtet mit Erdnüssen und Fischsoße, in seine Ecke gebracht. Es gab sogar einen dieser Löffel aus chinesischem Reisporzellan dazu, passend zur Schale. Er war dankbar dafür, denn er musste noch immer stehen und traute es sich nicht zu, in dieser Haltung mit Stäbchen zu hantieren, ohne dass etwas auf den Boden fiel.
Die Herren aßen aus feineren Schüsseln. Hier und dort noch einige Höflichkeitsreste, auch etwas Suppe mit Nudeln war noch übrig. In China aß man nicht auf. Wer satt war, war jedenfalls gut beraten, es nicht zu tun, denn sonst wurde sofort nachgelegt. Kein Gastgeber wollte in den Verdacht geraten, nicht genügend auftischen zu können. Essen, das war in diesem Land weit mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Es war eine Huldigung an das Leben selbst. «Alle Chinesen esset gern, des macht sie richtig glücklich», hatte Eugen Rathfelder einmal gesagt.
Die Tafel sah aus wie ein Schlachtfeld, die Herren unterhielten sich angeregt, manche schon mit leicht geröteten Wangen. Der Reiswein des Kompradors war ausgezeichnet, die Stimmung unter den Europäern locker. Liu Guangsan saß meist schweigend dabei, nickte höflich oder lächelte. Ihm war nicht anzusehen, was er dachte. Seine Miene blieb unverbindlich. Konrad hatte das Gefühl, seine Beine würden gleich einschlafen. Er verlagerte das Gewicht vorsichtig von einem Fuß auf den anderen.
Er beobachtete den Komprador verstohlen. Liu Guangsan hatte unter den Europäern einen schon fast legendären Ruf. Er war der Obmann der Süd-Schantung-Gilde der Kaufleute. Liu fungierte nicht nur als Vermittler bei Geschäften zwischen Ausländern und Chinesen, sondern betrieb auch selbst einen schwunghaften Handel
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