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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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«Ave Maria» erklangen. Die Männer verstummten.
    Liu Guangsan betrachtete den jungen Mann mit den blauen Kinderaugen mit wachsendem Interesse. Wirklich erstaunlich. Auch wenn sich dieser Soldat nicht darin auszukennen schien, wie ein Untergebener einem Höhergestellten gegenüber den Kotau zu machen hatte, so bewies er doch eine gewisse Bildung. Liu hatte das Zögern Konrads sehr wohl bemerkt, als Ohlmer ihn aufgefordert hatte, das Geschenk auszupacken. Dem Maiban entging nichts. Das war einer der Gründe für seinen geschäftlichen Erfolg. Ah, vielleicht würde sich dieser Soldat ja wirklich verwenden lassen.
    Konrad hatte das «Ave Maria» schon lange nicht mehr gespielt. Er wusste, dass es holprig klang, doch er konnte einfach nicht aufhören und dieses wunderbare Instrument zur Seite legen. Seine Augen schauten in die Ferne, in eine Heimat jenseits des Meeres, die er noch lange nicht wiedersehen würde.
    Man hätte eine Nadel fallen hören können, so still war es, als er die Trompete absetzte. Nach einigen Sekunden ertönte hinter einem Vorhang Klatschen, dann ein Wispern und Kichern. Es holte Konrad in die Gegenwart zurück, in dieses fremde Zimmer in diesem fremden Land mit seinen unbegreiflichen Sitten. Ob der Applaus wohl von ihr stammte? Hinter dem Vorhang hielten sich wohl mehrere Frauen auf. Liu Guangsan verzog keine Miene, tat so, als habe er nichts gehört.
    Konrad machte eine tiefe Verbeugung. Liu sah es mit Wohlgefallen. «Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe», erklärte der junge Mann spontan und errötete.
    «Herr Liu sagt, auch Er habe ihm mit seinem Spiel ein vortreffliches Geschenk gemacht und seine bescheidene Gabe mit seinem Können geadelt», übersetzte der Dolmetscher. «Er fragt, ob es noch einen Wunsch gibt, den er dem tapferen Retter erfüllen kann.»
    Wieder verneigte sich Konrad. Er hatte keine Ahnung, wie man einen offenbar einflussreichen Komprador ansprach. «Wenn Exzellenz gestatten, ja, es gäbe da noch etwas.» Er zögerte.
    Liu Guangsan bedeutete ihm mit einer Handbewegung zu sprechen. Seine Begeisterung für diese großartige Musik war nicht geheuchelt. Es überraschte ihn, dass ein Mensch mit solchen Gaben als einfacher Soldat diente.
    «Ich würde in meiner freien Zeit gerne weiter Chinesisch lernen, mehr über dieses Land erfahren», meinte Konrad.
    «Sie sind schon ein erstaunlicher Mann», meldete sich der Missionar zu Wort. «Falls die anderen Anwesenden, insbesondere unser allseits geschätzter Gouverneur als Oberbefehlshaber keine anderen Pläne haben, könnte ich das arrangieren. Unter den Lehrern in meinem Deutsch-Chinesischen Seminar findet sich sicherlich einer, der diese Aufgabe gerne übernimmt. Kommen Sie doch einfach bei mir auf dem Missionshügel vorbei, wenn es Ihre Zeit erlaubt, Gabriel. Er ist nicht weit von der Bismarck-Kaserne entfernt. Ich bin davon überzeugt, dass Ihnen jedermann in Tsingtau den Weg zum Missionshügel beschreiben kann. Sonst nehmen Sie einfach eine Rikscha. Unsere Weimarer Mission liegt direkt neben dem Gebäude der Berliner Missionsgesellschaft. Meine Frau Salome würde sich außerdem über ein kleines Konzert freuen. Wir sind den schönen Künsten hier in Tsingtau sehr zugetan.»
    «Ah, auf dem Berg Zion», rutschte es Konrad heraus.
    Alle lachten. «Ich sehe schon, Sie haben sich bereits gut umgehört», schmunzelte Wilhelm. «Was ist, Truppel, leihen Sie uns diesen bemerkenswerten jungen Mann einmal für ein Trompetenkonzert aus? Vielleicht könnten wir sogar ein kleines Kammerorchester zusammenbringen und regelmäßige Auftritte organisieren. Die Damen wären sicher begeistert.»
    Der Gouverneur hob die Hände. «Sehe schon, muss diesem Wunsch entsprechen. Der Mann hat aber auch seinen Dienst zu tun, wird unserem Vizegouverneur helfen, was?»
    «Dem Vizegouverneur?», Richard Wilhelm runzelte die Stirn. Dann fiel der Groschen und er lachte vergnügt. «Ah, Sie meinen Fritz Fauth, ihr Faktotum!»
    «Haushofmeister, Wilhelm, wenn ich bitten darf», unkte Truppel zurück. «Wüsste nicht, was wir ohne den Artilleristenmaat täten. Ist Gott, dem Vaterland, Willem Zwo und mir außerordentlich ergeben. Auch Prinz Heinrich schätzt ihn. Der Bruder des Kaisers hat viel für unser geliebtes Schutzgebiet Kiautschou getan, was?»
    «Oh, dasselbe erzählt Ihre Gattin meiner Gattin auch immer bei der regelmäßigen Teegesellschaft», frotzelte Wilhelm. Beide Männer lachten.
    «Also dieser junge Mann soll Fauth helfen. Was

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