Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
absolviert hatte. Eugen Rathfelder lachte immer, wenn sich sein Kamerad Konrad nach solchen Dingen erkundigte. Nach dem Blick, mit dem der Missionar Richard Wilhelm ihn maß, könnte der Übersetzer auch einer seiner Schüler im Deutsch-Chinesischen Seminar gewesen sein. Jedenfalls sprach er sehr gut Deutsch.
    Konrads Blick wandte sich wieder dem Maiban zu. Auf seinem bodenlangen Rock prangte in gewirkten Silberfäden mehrfach der weiße Seidenreiher. Der Vogel wirkte im Spiel des Lichtes in diesem prachtvoll ausgestatteten Empfangsraum fast lebendig. Auf der goldfarbenen Randborte des Mantels entdeckte er Fledermäuse und Schriftzeichen.
    Er erkannte zumindest das Symbol sicher wieder. Auch die Chinesin hatte den Reiher getragen. Der Reiher gehörte zu den glückverheißenden Vögeln Chinas. Das galt ebenso für die Fledermaus. Der reich bestickte Mantel des Kompradors war mit weiteren Motiven des chinesischen Universums verziert, mit Felsen und Wellen. Dazu kamen stilisierte, geschwungene Bambusornamente, Stickereien, die wie Korallen aussahen. Er würde sich erkundigen oder nachlesen, was diese Symbole aussagten. In diesem Land hatte alles eine Bedeutung. Die gekreuzten Rhinozeroshörner zum Beispiel gehörten zu den acht Kostbarkeiten und symbolisierten einen festen Charakter und Glück.
    «Stehen Sie nicht in der Gegend wie angewurzelt, Kerl. Kommen Sie her, Gabriel. Liu Guangsan erkundigt sich nach Ihnen!» Die Stimme von Gouverneur Truppel klang ungeduldig.
    Konrad schrak aus seinen Gedanken hoch und salutierte. «Jawoll, Exzellenz.» Dann marschierte er einige Schritte in den Raum hinein. Liu Guangsan wies auf einen kleinen Hocker zu seiner rechten Seite. Konrad schaute Truppel hilfesuchend an.
    «Setzen, los!», herrschte dieser ihn an. «Im Kampf sind Sie doch auch nicht so schüchtern. Liu hat alles erzählt. Also los, setzen!»
    «Setzen sie sich, mein Freund. Der Komprador erweist Ihnen eine große Ehre», schaltete sich Seezolldirektor Ohlmer ein, ein eindrucksvoller Mann mit gepflegtem Vollbart. Schon allein durch seine körperliche Präsenz wirkte er respektheischend. Konrad nahm zögernd Platz.
    «Herr Liu wünscht dem tapferen Soldaten zu danken», sagte in diesem Moment der Dolmetscher. Der Komprador winkte. Ein Diener schlurfte in den Raum. Er trug einen sorgsam in feinste chinesische Seide gewickelten Gegenstand und reichte ihn dem Soldaten.
    «Das ist ein bescheidenes Geschenk meines Herrn. Er sagt, er habe nur eine wenig beachtenswerte Gabe gefunden, kaum angemessen für die große Tat.» Damit legte der Dienstbote dem Soldaten das Paket auf den Schoß und ging unter vielen Verbeugungen rückwärts aus dem Raum.
    «Nun packen Sie schon aus, Gabriel, ich bin gespannt, was das ist», drängte Ohlmer. Konrad zögerte. Es war in China nicht angebracht, Geschenke in Gegenwart des Schenkenden auszupacken, das hatte ihm sein Lehrer in Tientsin erklärt. Doch wenn Ohlmer das sagte! Es hieß, er habe seine Villa am Meer nach den Regeln des Fengshui bauen lassen. Unsicher schaute er hinüber zu Richard Wilhelm. Nach dem, was er von diesem Mann gehört hatte, kannte sich der Missionar recht gut mit den chinesischen Benimmregeln aus. Dieser nickte ihm fast unmerklich zu, als wolle er sagen: «Machen Sie nur, der Maiban ist an das schlechte Benehmen der Deutschen schon gewöhnt.»
    Sorgsam wickelte Konrad das Geschenk aus der Seide. Schon beim Abtasten glaubte er an den Formen zu erkennen, was es war. Mit dem Gegenstand lag er richtig. Liu Guangsan hatte ihm eine neue Trompete geschenkt. Doch was für eine! Das Instrument stammte seinem Aussehen nach aus England, war offensichtlich in einer hervorragenden Werkstatt gefertigt worden. Es musste sehr wertvoll sein. Er fragte sich, wie ein Chinese wohl an ein so teures englisches Instrument gekommen sein konnte.
    Er konnte einfach nicht anders, er nahm seine neue Trompete und spielte. Konrad Gabriel hatte sich nie für einen großen Musiker gehalten. Er beherrschte das Instrument mehr schlecht als recht. In Berliner Mietswohnungen waren Trompete übende Jungs nicht sonderlich beliebt. Und seine Schwester Martha hatte auch nie das Geld für ein gutes Instrument gehabt. Sein altes stammte aus dem Pfandhaus. Seine Schwester hatte lange die Wäsche anderer Leute waschen und ihre Kleider flicken müssen, ehe sie das Geld dafür beisammen gehabt hatte. An diesem Tag lernte er, welch großen Unterschied ein gutes Instrument ausmacht. Die ersten Tonfolgen von Schuberts

Weitere Kostenlose Bücher