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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Reaktion. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass zwischen Liu und dem Missionar eine besondere Art von gegenseitigem Verständnis bestand.
    «Ja, meine Frau ist wohlauf, sie muss nur hin und wieder ein wenig liegen. Ihre Schwester Hanna ist eine große Hilfe», versicherte Wilhelm. «Klara Schrameier, die Gattin unseres genialen Wilhelm Schrameier, kommt oft zu uns zu Besuch. Sie ist so lebhaft und fröhlich. Das muntert meine Me immer auf. Hedwig, die Frau meines Mitarbeiters Pfarrer Wilhelm Schüler, tut ebenfalls ihr Bestes, wenn sie einmal wieder auf den Missionshügel kommt. Zusammen mit Ihrer verehrten Gemahlin, Exzellenz» – er verneigte sich leicht vor Truppel – «ergibt sich eine ziemlich fidele Runde. Die Damen unternehmen viel und haben sich ständig etwas zu erzählen. Übrigens sehr zum Missfallen unserer tugendsamen Nachbarn von der Berliner Mission, den Voskamps.»
    Oskar Truppel nickte. «Meine Frau hat mir davon erzählt, ist ja ziemlich oft auf dem Missionshügel. Ist wohl besser, unsere Damen haben genügend Beschäftigung. Kommen so schon nicht dazu, sich zu sehr um unsere Belange zu kümmern, was? Wobei die schöne Klara Schrameier nun einmal eine Ausnahmeerscheinung darstellt – nichts für ungut, Schrameier. Meine jungen Offiziere bekommen sehnsüchtige Dackelaugen, sobald Ihre Frau auftaucht. Haben unseren schönsten Badestrand sogar Klara-Bucht getauft.»
    Schrameier war dieses Gespräch offensichtlich mehr als peinlich. Er fand das alles nicht so amüsant wie Truppel. «Die Bucht heißt Auguste-Viktoria-Bucht», erwiderte er scharf.
    Der Gouverneur nickte begütigend. «Wissen wir ja, lieber Schrameier, wissen wir. Wollte Ihrer Gattin keineswegs zu nahe treten. Aber es ist nun einmal so, dass viele der Männer hier sie von ferne verehren. In allen Ehren natürlich, war ja die erste Europäerin hier. Der Name Auguste-Viktoria-Bucht, äm ja, Ihre Majestät ist als Namensgeberin natürlich sehr passend. Aber man gewöhnt sich so schwer um, was?»
    Konrad hatte bereits von der umschwärmten Gemahlin des Chinesenkommissars gehört. Wenn man Schrameier so betrachtete, etwas blass, überarbeitet und bis auf den letzten Kragenknopf korrekt, dann würde man ihm die junge Schönheit an seiner Seite kaum zutrauen. Der Mann hatte für die junge Kolonie viel getan, kein Wunder, dass er überarbeitet aussah. Er hatte sich seiner jungen Frau sicher nicht oft widmen können.
    Es gab nicht allzu viele ledige westliche Frauen in Tsingtau, die meisten von ihnen waren Gouvernanten oder Krankenschwestern. Einige der unverheirateten Militärs und Kaufleute hatten sich eine chinesische Geliebte angeschafft. Manche hatten beides, trotz einer Ehefrau. Oder vielleicht gerade deshalb.
    Konrad räusperte sich. Seine Beine schliefen langsam ein, und er fühlte sich fehl am Platz in dieser Runde. Außerdem würden nach all diesem Vorgeplänkel sicher bald die Geschäfte zur Sprache kommen. Wenn er doch nur gehen könnte!
    Der Gouverneur wandte ihm den Kopf zu. «Langweilig, was? Na, dann machen Sie mal, dass Sie in die Falle kommen. Müssen müde sein. Finde schon allein nach Hause», meinte er jovial – und hatte ihn gleich darauf wieder vergessen.
    Als Konrad das Haus des Maiban verlassen wollte, zupfte ihn eine alte Chinesin am Ärmel und drückte ihm einen Zettel in die Hand. Das Papier duftete nach Lilien, offenbar stammte er von einer Frau. Als er ihn draußen auf der Straße entfaltete, war er enttäuscht. Er konnte nicht entziffern, was da stand. Die wenigen Zeilen waren in chinesischen Zeichen geschrieben, und er hatte in diesem Punkt noch keine großen Fortschritte gemacht.
    In der Kaserne erwartete ihn schon die nächste Aufregung: Es hatte einen Deserteur gegeben. Der Steckbrief des Hafenamts hing bereits am Kasernentor. Ganze Trauben von Soldaten standen davor. Einer drängte den anderen weg, um die Beschreibung des fahnenflüchtigen Heizers Johann Kruse lesen zu können. Er hatte folgende Tätowierungen: «Auf dem linken Unterarm ein Matrose mit englischer Marineflagge. Auf dem rechten Unterarm eine weibliche Figur und ein Armband, Anker auf dem Mittelfinger. Auf der Brust ein Matrosenkopf.»
    Wer über Kruses Verschwinden etwas wusste, sollte das sofort dem Kommandeur melden, stand noch darauf.
    Warum Kruse wohl desertiert sein mochte? Die wildesten Gerüchte machten die Runde. Die einen vermuteten, Kruse habe die Schikanen seines Vorgesetzten nicht mehr aushalten können. Dieser galt als übler

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