Die Konkubine
Schleifer. Andere wollten von einer chinesischen Geliebten gehört haben, mit der er sich aus dem Staub gemacht haben sollte. Angeblich, weil deren Vater alles getan hatte, um die Verbindung zu verhindern. Konrad bevorzugte die zweite Version. Im Übrigen war er froh über diese Ablenkung. Die Flucht des Heizers sorgte dafür, dass das Gerede über seine Rettungsaktion und seinen Empfang beim Maiban in den Hintergrund gedrängt wurde. Auch wenn es ihm um Kruse leid tat. Er kannte ihn nicht, doch wenn sie ihn erwischten, würde es dem armen Kerl übel ergehen.
Als er in die Stube kam, entdeckte er einen Kasten auf seinem Bett. Nach dem Öffnen funkelte ihm eine neue Trompete entgegen. «Der Fauth hat sie gebracht», klärte ihn Eugen Rathfelder auf.
Konrad wunderte sich etwas. Als er sich später bei Fauth bedanken wollte, kanzelte ihn der kleine Mann fast ab. «Stammt von Seiner Exzellenz. Schließlich sind Sie hier, um anständige Arbeit abzuliefern. Das geht nicht mit einer verbeulten Trompete.»
Konrad wunderte sich noch mehr, behielt das aber für sich. Er hatte doch bereits ein neues Instrument bekommen! Zurück in seiner Stube legte er die beiden Trompeten nebeneinander. Die des Kompradors war die wesentlich wertvollere. Die für sonntags.
Nur wenige Tage nach dem Empfang bei Liu meldeten chinesische Geheimdetektive per Kabel, im Zug nach Fangtse säßen zwei bewaffnete Männer. Truppel reagierte umgehend und setzte sich mit den Zuständigen in Verbindung. Als der Zug in Fangtse ankam, warteten schon chinesische Agenten auf die beiden.
Der deutsche Einflussbereich galt als vergleichsweise sicher – dank der Behörden, die alles taten, um der Banditen Herr zu werden. Die Reichen außerhalb des Pachtgebietes leisteten sich hingegen Wachen, die Tag und Nacht auf den Dächern lagen. Manche hielten sich sogar eine eigene Miliz. Denn die Verbrecher waren für ihre grausamen Überfälle bekannt. Mit ihren Martermethoden brachten sie auch den Standhaftesten dazu, noch das letzte Versteck zu verraten.
Die Männer aus dem Zug behaupteten im Verhör zunächst, ebenfalls Geheimpolizisten zu sein. Doch sie konnten keine Ausweise vorlegen. Dafür hatten sie Mausergewehre dabei, Munition, Schlagringe und Chloroform. Den Chinesen im Schutzgebiet war der Waffenbesitz strikt verboten. In ihren Taschen wurden bündelweise russische Banknoten gefunden sowie sechs Paar säuberlich in Papier eingewickelte Menschenohren, jedes Paar mit einem Namen versehen. Die Banditen wollten mit den Ohren zurück in die Mandschurei, um diese Überreste der Kameraden, die bei Beutezügen gefallen waren, gemäß der Sitte symbolisch zu begraben.
Schließlich gestanden sie die Teilnahme am Überfall auf die Zweite Nebenfrau des Maiban Liu – nach gutem Zureden durch Geheimpolizisten, wie es später hieß. Kurz darauf wurden sie hingerichtet. Die Provinzregierung befahl, eine traditionelle chinesische Hinrichtungsmethode anzuwenden, den Hängekäfig. Sie starben langsam und qualvoll. Mit der Verurteilung der Banditen war der Fall auch für die deutschen Behörden abgeschlossen. Die schon beschlossene Strafexpedition wurde abgeblasen.
Kapitel 4
Tsingtau, 6. Mai 1903 Liebe Martha,
nun bin ich schon zwei Monate in Tsingtau. Tientsin trauere ich nicht nach. Es ist sehr schön hier. Das Wetter ist fast wie bei uns, zumindest um diese Jahreszeit. Im Sommer soll es schwül und heiß sein, doch bisher habe ich keinen Grund zu klagen. Stell Dir vor, jetzt ist es gerade einmal Mai, und hier kann man schon im Meer baden, es ist allerdings ziemlich kalt. Die feineren Herrschaften gehen dazu in die Auguste-Viktoria-Bucht, wo es viele kleine blaue Badehäuschen gibt. Ich als einfacher Soldat muss über einen Hügel in Richtung Osten wandern. In der Luftlinie gerade aus nach Süden von der Iltiskaserne aus wurde das Badegelände für die Mannschaften eingerichtet. Dort ist natürlich alles nicht so fein. Zwar hat man schon Haie im Gelben Meer gesichtet, doch bisher ist noch niemandem etwas geschehen.
Auch die Kirschen sind längst reif. Das wird im Lauschan-Gebiet um die Gemeinde Litsun herum jedes Jahr mit einem großen Kirschblütenfest gefeiert. Du hättest sicher viele interessante Rezepte für die Zubereitung von Kirschen gefunden, wie es hier überhaupt vieles gibt, was Dich sicherlich brennend interessieren würde. Und so will ich mein Möglichstes tun und so ausführlich berichten, wie es meine Zeit erlaubt.
Ich kann jetzt so viel
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