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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Trompete spielen wie ich will, ich habe sogar ein wunderschönes Konzertinstrument geschenkt bekommen, und niemand klopft gegen die Wand und will seine Ruhe haben. Ich werde immer wieder zu den verschiedensten Anlässen gebeten. Und nun behaupte noch einmal, die Musik sei eine brotlose Kunst!
    Besonders beliebt bei den Damenkränzchen ist das «Behüt Dich Gott» aus der Oper «Der Trompeter von Säckingen». Die Herren halten es mehr mit Militärmärschen. Ich kann Dein Gesicht schon sehen, liebe Martha, besonders Deinen skeptischen Blick, doch ich kann Dir versichern, Dein Bruder macht Dir keine Schande. Die falschen Töne sind schon viel weniger geworden. Außerdem bin ich inzwischen auch offiziell bei der Marinefeldartillerie in Tsingtau stationiert. Ich bin aber zum Dienst anderweitig abgeordnet. Mein neuer Kamerad Eugen Rathfelder nennt mich wegen meiner vielseitigen Einsatzgebiete inzwischen nur noch den bunten Hund.
    Ich bin einem Mann namens Friedrich Fauth zugeteilt und wohne in einer Kammer in seinem kleinen Haus oberhalb der Gouverneursvilla, ganz in der Nähe zum Haus der Adjutanten und mit einem wunderschönen Blick auf die Auguste-Viktoria-Bucht, Kap Jaeschke und die Inseln ««Vater und Sohn». Wenn ich morgens aufstehe, komme ich mir fast vor wie in der Sommerfrische. Ein anderer, etwas entfernterer Nachbar ist übrigens Wilhelm Schrameier, der Mann, der die ganze Stadtplanung von Tsingtau entworfen hat.
    Es ist geplant, bald eine neue Villa für den Gouverneur zu bauen. Sie soll repräsentativer sein als das jetzige Schwedenhaus. Stell Dir vor, Martha, zwei dieser Holzhäuser aus Schweden sind für den Gouverneur eigens aus der Heimat hierher geschifft und dann zusammengebaut worden. Ja, ja, ich weiß, Du hältst nichts von solchen Kinkerlitzchen, wie Du zu sagen pflegst.
    Ich finde es fantastisch, was wir Deutschen hier bereits an Aufbauarbeit geleistet haben. Die kleinen Fischerdörfer, die es hier früher gab, sind inzwischen alle abgerissen worden. Überall in Tsingtau wird gebaut, manchmal kann man die neuen Häuser richtig aus dem Boden wachsen sehen. Das gibt jede Menge Staub und Dreck. Lärm natürlich ebenfalls. Aber in manchen Vierteln sieht es hier schon aus wie in einer richtigen deutschen Stadt mit Gärten und Blumen davor. Das würde Dir gefallen.
    Ich lerne auch hier Chinesisch. Es gibt hier übrigens ein Deutsch-Chinesisches Seminar. Es ist eine Mittelschule für chinesische Knaben, erst in diesem Jahr in einen Neubau auf dem Missionsgelände umgezogen.
    Stell Dir vor, Chinesen, die vorwärts kommen und Beamte werden wollen, müssen sogar Dichtkunst und Philosophie pauken. Das wäre manchem der vertrockneten Herren in den preußischen Amtsstuben auch zu wünschen. In der Schule stehen sogar die chinesischen Klassiker auf dem Stundenplan. Also solche Bücher wie «Die Pietätslehre», die «Gespräche des Konfuzius» oder die Schriften des Menzius. An der Elementarschule wird hier Religion, Chinesisch, Deutsch und Rechnen unterrichtet, an der Mittelschule kommen naturwissenschaftliche Disziplinen und Geographie hinzu, Unterrichtssprachen sind Deutsch und Chinesisch.
    Meinen Chinesischunterricht bekomme ich von einem der Hilfslehrer, Tang Huimin, der Mann, der den Menschen das Glück bringt – so zumindest könnte man seinen Rufnamen übersetzen, glaube ich. Am Anfang war er sehr reserviert. Ich hatte den Eindruck, er wollte überhaupt nichts mit mir zu tun haben. Aber inzwischen hat er wohl festgestellt, dass nicht alle diese «deutschen Imperialisten» üble Menschen sind. An der deutsch-chinesischen Schule arbeitet er nur, weil sein Vater es so will. Er soll Kontakte knüpfen. Außerdem ist, glaube ich, die Bezahlung nicht schlecht.
    Tang muss selbst noch jede Menge büffeln, um die hier üblichen Beamtenprüfungen zu bestehen. Er ist der Sohn eines der führenden chinesischen Kaufleute von Tsingtau. Aber er ist im Herzen ein Rebell. Er erzählt mir viel über Land und Leute. Tang ist übrigens sein Nachname, wie bei mir Gabriel. Die Chinesen stellen die Nachnamen immer vor die Rufnamen.
    Der Schulgründer Richard Wilhelm hat mich schon öfter zu sich eingeladen, damit ich Trompete spiele. Er ist nicht so etepetete wie manche hier, was die Rang- und die Klassenunterschiede betrifft. Stell Dir vor, er hat in seinem Garten ein Besuchshäuschen im chinesischen Stil anlegen lassen mit Blumenanlagen und Wegen, Grotten und Torbögen. Der Goldfischteich und das Mondtor, alles erinnert an

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