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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Dauergeplänkel zwischen den beiden jungen Männern entwickelt.
    Konrad grinste. «Für deine gute Meinung bin ich dir sehr verbunden. Ja, ich komme gerne, aber ich kann erst hier fort, wenn die Rennen beendet sind. Bis dahin muss ich spielen. Hast du eigentlich mitbekommen, wie das Rennen mit dem Pferd Truppels ausgegangen ist?»
    Tang spielte den Betrübten. «Es ist mir sehr unangenehm, dir mitteilen zu müssen, dass das schlechte Rennpferd eines unwürdigen Chinesen die Nase vorn hatte. So sagt man doch bei euch, die Nase vorn, oder?»
    «Der Siegeslorbeer gebührt dem Besten», erklärte Konrad.
    «Mei guanxi, zu viel der Ehre», erwiderte Huimin. «Ich hole dich dann ab.»
    Konrad war sich der erstaunten und zum Teil abschätzigen Blicke seiner Mitmusiker sehr bewusst. «Chinesenfreund», murmelte einer, und es klang alles andere als anerkennend. «Idiot», raunte er zurück.
    Eugen Rathfelder legte ihm die Hand auf die Schulter. «Komm, s’isch besser, du hältscht die Gosch, den Mund. Sonscht gibt’s glei no Ärger. Normalerweis han i nix gegen eine anschtändige Prügelei, aber jetzt isch net der richtige Zeitpunkt dafür.»
    Das sah Konrad ein, er hielt sich zurück. Aber es fiel ihm schwer. «Blöder Kommisskopf», schimpfte er in sich hinein.
    Dann beruhigte er sich. Wenn es nicht von Anfang an Menschen gegeben hätte, die sein Interesse an der chinesischen Kultur geweckt hätten, dann würde er vielleicht heute ebenso denken. Auch Tang verdankte er viel. Und dieser geheimnisvollen Frau, die er nicht vergessen konnte. Es war, als hielte sie den Schlüssel zu diesem rätselhaften Land in den Händen. Mehr noch, für ihn war sie die Verkörperung Chinas. Wieder keimte das schon bekannte Gefühl eines unwiederbringlichen Verlustes in ihm auf, einer Leere, die ihn nicht mehr verließ, seit er wusste, dass er ein Treffen mit ihr verpasst hatte. Er wünschte sich so sehr eine zweite Chance.
    Die Abendsonne schickte blutrote Strahlen auf die leicht gekräuselte Oberfläche des Gelben Meeres, als Huimin seinen Schüler wie versprochen zum Haus seines Vaters geleitete. Die beiden jungen Männer schlenderten auf der Uferstraße am Meer entlang Richtung Westen, vorbei am Yamen, dem Tianhou-Tempel und dem Pier, an dem die Deutschen im November 1897 an Land gegangen waren, um fremden Boden in Besitz zu nehmen.
    Die herrlichen Sandstrände von Tsingtau lagen zu ihrer Linken. Das leise Plätschern der Wellen, das Krächzen einer Möwe versetzten Konrad Gabriel in nachdenkliche Stimmung. Plötzlich bekam er Heimweh. Heimweh nach seiner großen Schwester Martha, nach der kleinen Nichte, die erst nach seiner Abreise geboren worden war, nach den Sonntagsausflügen in den Grunewald, an die Spree, ins Havelland und an den Müggelsee. Martha hatte ihm bei solchen Gelegenheiten mehr als einmal die Hosen stramm gezogen, weil er wieder einmal verschwunden und schließlich verdreckt und nass aufgetaucht war. Und dann war da Marthas Lachen. Es hatte die kleine Dreizimmerwohnung in dem vierstöckigen Haus im Prenzlauer Berg zu einem Zuhause gemacht.
    Im Nachhinein bewunderte er seinen Schwager Hans dafür, dass er die kleinen Geschwister seiner Frau auch noch aufgenommen hatte. Es war manchmal ganz schön eng in der Wohnung geworden. Doch Hans war ein gutmütiger Mann, der wusste, was er an seiner ebenso resoluten wie warmherzigen Ehefrau hatte. Martha hätte ihre jüngeren Geschwister niemals im Stich gelassen.
    Ob sich wohl in dieser anderen Welt jemand vorstellen konnte, wie eine Arbeiterfamilie in Berlin lebte, mit wie wenig sie auskommen, wie oft sie jeden Pfennig zweimal umdrehen musste? Was würden gebildete Chinesen wie sein Freund Huimin, der sicherlich nicht aus armen Verhältnissen stammte, von solch einem Leben halten? Was hielt er von diesem jungen Deutschen, der neben ihm ging?
    «Du magst die Ausländer nicht, Huimin, nicht wahr? Hat es etwas damit zu tun, dass die Schantung-Eisenbahn über die Gräber eurer Ahnen gebaut worden ist? Ich habe allerdings gehört, dass es fünf Dollar Entschädigung gab. Es wurde meines Wissens für 20.000 Gräber bezahlt.»
    Tang musterte ihn scharf. «Die Ruhe der Ahnen kann man nicht kaufen, auch eine Eisenbahngesellschaft nicht. Jetzt klagen die Ahnen ihre Ruhe ein. Sie werden so lange Not und Unglück bringen, bis alle Fremden aus dem Land gejagt sind, die ihre Gräber stören. Das glauben die Menschen jedenfalls. Und was denkst du, fühlt ein Bauer, dem für Schienen sein Land

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