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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Aber jedes Kind bei uns kennt die Geschichte. Willst du hören, wie sie weitergeht?»
    Konrad Gabriel nickte stumm.
    «Willst du wirklich wissen, wie sich unsere Version der Angelegenheit anhört?»
    «Ja.»
    «Am 14. November um 6.30 Uhr wurden die deutschen Kriegsschiffe am Küstenstreifen zum Gefecht armiert. Um 7.30 Uhr ließ Otto von Diederichs die gesamte Landungsabteilung der Panzerfregatte Kaiser sowie die Besatzungen der Kreuzer Cormoran und Prinzess Wilhelm an Land gehen, und zwar zu den Klängen des Preußenmarsches. Natürlich waren viele meiner Landsleute gekommen, um sich die fremden Soldaten und ihr Treiben anzuschauen. Auch sie dachten sich nichts Böses, sie waren einfach neugierig. Bis dahin hatten sie noch niemals so viele Langnasen gesehen.
    Schließlich erreichten deine Leute den Exerzierplatz neben dem Yamen und dem Militärlager. General Zhang ließ dort gerade eine Abteilung exerzieren. Er grüßte die deutschen Marineoffiziere und ließ seine Soldaten aus Höflichkeit abrücken, damit die Deutschen Platz bekamen, um ihrerseits exerzieren zu können. Er glaubte, dass sie nichts anderes wollten.
    Doch der völlig überraschte General, der auf dem Exerzierplatz geblieben war, um sich die Übungen des fremden Militärs anzusehen, bekam auf ein Signal hin plötzlich ein Ultimatum überreicht: Er sollte Qingdao mit seinen Truppen innerhalb von drei Stunden verlassen. Verstehst du jetzt, warum ich sage, es war gegen das Völkerrecht?»
    Konrad fühlte Ablehnung in sich aufsteigen. Er war ja bereit zuzuhören. Aber das hier musste eine Lüge sein. «Bei uns wird die Geschichte anders erzählt. Diederichs wurde für seine vorausschauende Art gelobt. Nur durch sein besonnenes Vorgehen sei damals kein Blut geflossen, hieß es in der Heimat.»
    «So kann man dieses hinterlistige Verhalten natürlich auch sehen. Zhang Gaoyuan zog sich jedenfalls in den Yamen zurück und versuchte, die Deutschen hinzuhalten. Er erklärte dem deutschen Admiral, dass ihn der Rückzug den Kopf kosten könne. Seine Männer seien seit zwei Jahren an diesem Ort stationiert, hätten auch Familien am Ort. Sie könnten nicht so schnell gehen.»
    Jetzt wollte Konrad es genau wissen. «Und Diederichs?»
    «Diederichs interessierte das nicht. Er machte sich über Zhang lustig und ließ verlauten, der General könne ja zunächst da bleiben und über die Privatsachen seiner Soldaten wachen.
    Und tatsächlich ging Zhang erst Anfang Dezember wieder zu seinen Truppen. Am 14. November organisierte er jedoch den Rückzug. Innerhalb weniger Stunden waren die Soldaten samt Gewehren in die umliegenden Dörfer abgezogen. Die Deutschen besetzten zunächst das Ostlager, das ist dort, wo jetzt die Bismarck-Kasernen gebaut werden, sowie das chinesische Artillerie- und Yamenlager mit Telegrafenstation, anschließend das Strand- und Höhenlager. Im Artillerielager fanden sie Feldgeschütze, viele scharfe Granaten, Gewehrpatronen und Pulver. Und um 14.30 Uhr hissten sie dann die deutsche Flagge im einstigen Ostlager des Generals Zhang. Der Dolmetscher bei dieser Angelegenheit hieß übrigens Emil Krebs, der Mann, der noch wenige Wochen zuvor geehrter Gast des Generals Zhang gewesen war.»
    Konrad war kurz davor, laut zu werden. Dann mäßigte er sich. Zuerst musste er herausfinden, was an Tangs Geschichte stimmte. «Ich weiß nicht, was ich dazu sagen, was ich jetzt noch glauben soll. Wie gesagt, in unseren Zeitungen wurde das alles ganz anders dargestellt.»
    Der junge Chinese sah den Deutschen an seiner Seite mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an, erwiderte aber nichts.
     
    Konrad machte seinen besten Diener. «Ich bin geehrt, dass mich der ehrwürdige Herr Tang Liwei, der Vater meines sehr geschätzten Chinesischlehrers Tang Huimin, in seinem Haus empfängt.» Er hoffte, er hatte es richtig gemacht. Jedenfalls hatte er sich den Satz sorgfältig zurechtgelegt. Er durfte seinem Freund Huimin auf gar keinen Fall Schande machen. Über das Gesicht des alten Tang huschte ein Lächeln, er erhob sich und ging dem Gast seines Sohnes entgegen. «Es ist mir eine Freude, den außerordentlichen Schüler meines Sohnes in meinem bescheidenen Haus zu sehen.» Dann winkte er, und sofort brachte ein Dienstbote Tee und einige Süßigkeiten herein. Eine dicke Lage wertvoller alter Seidenteppiche dämpfte das Geräusch seiner Schritte. Es war unschwer zu erkennen, dass Huimins Vater ein reicher Mann sein musste. Er bat den Besucher mit einer Geste zu einem

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