Die Konkubine
Schrameier, die Gattin des Mannes, der für die deutsch-chinesischen Angelegenheiten zuständig ist. Er hat mit seiner Landordnung wirklich Großes für den Aufbau hier geleistet. Die nächste am Tisch ist Frau Seezolldirektor Ohlmer. Sie unterhält sich gerade mit Frau Dr. Dipper, der Gattin des Missionsarztes.»
Ihre Gastgeberin machte eine kurze Pause und fuhr mit der Vorstellungsrunde fort. Jetzt kam die Grobknochige an die Reihe. «Und hier, ein ganz besonderer Gast, Gerda Freimuth. Sie ist vor einigen Tagen aus Deutschland hier eingetroffen. Sie leistet in Berlin Hervorragendes an der Seite meiner Bekannten Marie-Elisabeth Lüders von den Berliner Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit. Marie-Elisabeth plant sogar zu studieren, stellt euch das vor! Ich bewundere sie sehr. Derzeit unterrichtet sie wie meine Freundin Gerda hier an einer Wirtschafts-Frauenschule in Weimar. Sie ist also so etwas wie eine Kollegin von Mulan. Unser deutscher Gast kommt als Vertreterin des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz hierher. Sie will sich davon überzeugen, dass die deutschen Krankenschwestern in unserer Kolonie gut untergebracht sind. Neben ihr, das ist Irmgard Hollenberg. Sie war unter den ersten Schwestern, die das Rote Kreuz letztes Jahr geschickt hat.»
Meili und Mulan nickten der Deutschen zu, die neben der Fremden aus Berlin schmal und eingeschüchtert wirkte. Sie trug ihre Schwesterntracht.
«Außerdem wird unsere liebe Gerda auch der Deutschen Kolonialgesellschaft in Berlin vom Leben der Frauen in unserem schönen Tsingtau berichten», fuhr Salome Wilhelm fort. «Ich hoffe, das wird nur Gutes sein. Vielleicht unterstützt die Gesellschaft dann unsere Bestrebungen, mehr deutsche Frauen und Mädchen in die Kolonie zu holen. Manche unserer jungen Männer sind schon recht einsam und kommen dann auf dumme Gedanken. Vielleicht findet sich auf ihren Bericht hin das eine oder andere junge Mädchen, das die lange Reise nach Kiautschou auf sich nimmt. Als Gouvernante oder Gesellschafterin können die jungen Frauen hier gut ein Auskommen finden und dazu noch die Welt kennenlernen. Wer weiß, vielleicht findet sich dann auch noch der passende Ehemann. Wie ich schon sagte, allzu viele unter den Herren vermissen die Nähe einer treuen Gefährtin.»
Einige Damen wedelten mit ihren chinesischen Fächern und kicherten.
Oh ja, dachte Mulan. Und so mancher arme Bauer verkauft seine Tochter. Einige der Mädchen waren noch halbe Kinder. Sie hatten keinerlei Rechte, waren Freiwild. Viele landeten im Bordell, wenn der Mann sie satt hatte.
Gerda blieb ernst. Sie sah auch nicht so aus, als könne sie kichern, fand Mulan. Die Deutsche musterte die beiden Chinesinnen von oben bis unten. «Es wird Zeit, dass sich die Frauen in diesem Land gegen die Herrschaft der Männer erheben. Sie haben sich lange genug die Füße und das Rückgrat verkrüppeln lassen.»
Ihre Gastgeberin lachte etwas verkrampft. «Unsere liebe Gerda setzt sich sehr kämpferisch und sehr direkt für die Belange ihrer Mitschwestern ein.» Sie bemerkte sehr wohl, wie schockiert ihre beiden chinesischen Gäste waren, auch wenn sie alles taten, es sich nicht anmerken zu lassen. Me Wilhelm versuchte, die peinliche Situation etwas zu entspannen. «Meili, unser bezaubernder Gast, ist eine berühmte Tänzerin. Die Männer liegen ihr förmlich zu ihren kleinen Füßen», ließ sie die Damen wissen.
«Dann sollte sie hin und wieder einmal auf die Herren treten», grummelte die Deutsche namens Gerda. Es war nur ein halber Scherz.
Meili hatte sich als Erste wieder gefangen. «Vielleicht hat die Dame Freimuth nicht ganz so unrecht. Wie es ihr Name schon sagt, ist sie eine Frau von freiem Mut.»
Zum ersten Mal zog ein Lächeln über das strenge Gesicht der Deutschen. Es machte die Frau mit dem straff zurückgekämmten Haar und dem Nackenknoten in der schmucklosen, hoch geschlossenen Seidenbluse mit Stehkragen und Binder fast sympathisch. Sie trug keinen Schmuck, auch keinen Ehering. Die einzige Konzession an die weibliche Eitelkeit, die Mulan feststellen konnte, waren die samtenen Streifenborten des Rocks.
Gerda Freimuth bot einen augenfälligen Kontrast zu ihrer Gastgeberin und den anderen Damen. Salome Wilhelm trug eine leichte Bluse mit allerlei Spitzenapplikationen, die Ärmel waren an den Handgelenken leicht gepufft, im Ausschnitt hatte sie einen unglaublich fein gearbeiteten Spitzeneinsatz. Die Taille wurde durch ein breites Band betont, der gestreifte
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