Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
hier auf dünnem Eis, aber was soll’s?
    »Die Familie sollte Priorität haben. Aber auf mich wirst du wohl nicht hören, wenn du eine weltberühmte kluge Wissenschaftlerin als Beraterin hast.«
    Und mit Familie meinst du dich, nicht etwa meinen Mann.
»Die Familie wird immer eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen, Mum. So klein sie auch ist. Warum sind wir nicht mit Dads Verwandtschaft in Kontakt geblieben? Mein Kind hat doch sicher irgendwo Cousins und Cousinen.«
    Christina nahm die Füße von dem kunstledernen Polsterhocker. »Wir haben noch Kuchen. Magst du eine Tasse Tee?«
    »Warum willst du nicht über Dad sprechen?« Jennifer ließ nicht locker.
    Doch Christina war bereits in der Küche und ließ sich nicht erweichen, und Jennifer war zu müde, um zu kämpfen.
     
    Der Arzttermin verlief unspektakulär. Im Wartezimmer stellte Jennifer dem Arzt ihre Mutter vor, und als Christina sich anschickte, ihnen ins Behandlungszimmer zu folgen, bat er sie höflich, draußen zu warten.
    Jennifer bedankte sich bei ihm. »Meine Mutter meint es gut, aber sie ist überbesorgt.«
    »Ganz normal. Was ist mit Ihrem Mann? Wird er bei der Geburt zugegen sein?«
    »Oh. So weit voraus denke ich noch gar nicht.« Jennifer versuchte, sich Blair mit Mundschutz und Kittel vorzustellen, wie er ihre Hand hielt oder was auch immer werdende Väter in der Situation taten. War er der empfindliche Typ? Sie wusste es nicht.
    »Die meisten Paare gehen zusammen zur Geburtsvorbereitung. Das entscheiden Sie. Im Krankenhaus gibt es ein neues Geburtshilfezentrum. Wir müssen Sie bald anmelden. Sie und Ihr Kind sind kerngesund.«
    Christina befragte Jennifer über ihr Gewicht, ihren Blutdruck, ihre Ernährung und zusätzliche Vitamine und wollte wissen, was der Arzt gesagt hatte. »Er scheint ein alter Knacker zu sein. Kennt er sich aus? Ist er auf dem neuesten Stand?«
    »Natürlich.«
    Jennifer war nachdenklich. Die Vorstellung, dass Blair und ihre Mutter sich in die Geburt einmischen könnten, beunruhigte sie. Sie hatte das Gefühl, eins mit dem Baby zu sein, einer ein Teil des anderen, abgetrennt von allen anderen. Sie kam sich überbehütend und egoistisch vor. Sie wollte Blair und ihre Mutter nicht teilhaben lassen. Als ihre Mutter Kaffee bestellte und mit der Frau an der Cappuccino-Maschine plauderte, versuchte Jennifer zu analysieren, warum sie sich wie eine alleinstehende Mutter fühlte. Sie und Blair hatten dieses Kind im Liebesakt gezeugt. Oder etwa nicht? Sex war zur Routine geworden, nichts Abenteuerliches mehr. Die Leidenschaft hatte sich nach den ersten zwei Jahren ihres Zusammenseins verflüchtigt. Wenn sie brutal ehrlich zu sich selbst war, dann wusste sie, dass sie nur mit Blair schlief, um ihn bei Laune zu halten. Wenn sie sich ihm verweigerte oder vorgab zu schlafen, war er am nächsten Tag mürrisch und unzugänglich. Und das ärgerte sie. Ihr Körper gehörte ihr, und er hatte kein Recht, ihr das Gefühl zu geben, ihm unrecht zu tun, wenn sie keinen Sex wollte. Hatte er deswegen mit Susie geschlafen? Es war gemein, ihre Schwangerschaft vorzuschieben. Sie musste den Tatsachen ins Auge blicken: Sie hatte einfach keine Lust, mit Blair zu schlafen. Sie provozierte es nie, sie ließ es nur über sich ergehen. Es war ganz nett, doch es rief keine Emotionen wach, stellte keine Verbindung zu ihm her.
    Jennifer rieb sich die Stirn, als sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach.
    »Jennifer, was hast du? Du siehst schrecklich aus.« Christina stellte die Tassen auf den Tisch.
    »Ach, nur eine Hitzewallung. Mir fehlt nichts.« Sie griff nach ihrem Wasserglas. »Übrigens, ich muss zurück auf die Insel.« Sie hatte sich entschieden. Sie ging zurück, aber nicht zu Blair. Noch nicht.
     
    Ihre Mutter begleitete sie zum Hafen, um Abschied zu nehmen. »Ich mache mir Sorgen um dich; du bist so still. Ich wollte, du würdest nicht so weit fort sein. Wenn du nun krank wirst?«
    »Ich werde nicht krank, Mum. Ich bin kerngesund. Wenn nötig, kann der Hubschrauber mich direkt zum Krankenhaus bringen. Und du, vergiss nicht, Beverly anzurufen und diesem Tennisclub beizutreten.«
    »Ganz bestimmt. Ach, du meine Güte, sieh mal, wer da drüben steht!«
    Jennifer drehte sich um, um zu sehen, wen ihre Mutter im Auge hatte. Inmitten einer Gruppe stand ein Mann mit stachelig gegeltem Haar und dunkler Sonnenbrille, in einem gewagten, über der nackten Brust offenen Hawaiihemd und weißen Shorts. Drei junge Frauen, die aussahen wie Karikaturen von

Weitere Kostenlose Bücher