Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit dringt«, sagte Jennifer.
    »Ich bezweifle, dass es Gäste, die die Ferienanlage besuchen wollen, abschrecken würde. Für die Forschungsstation allerdings ist es ein größeres Problem. Jeder Unfall fällt auf den Projektleiter zurück, also steht Mac in der Schusslinie«, sagte Tony.
    »Trotzdem, Touristen aus Übersee hören nicht gern von hübschen Muscheln und in Gezeitentümpeln versteckten Wesen, die einen umbringen können«, sagte Isobel.
    »Das ist was für die Boulevardpresse. Ich schreibe über Substanzielleres«, erklärte Tony. Dann grinste er. »Klang das eingebildet?«
    »Ja«, sagte Isobel und lachte kehlig.
    »Ich wollte, ich könnte auch lachen, Isobel«, bemerkte Jennifer.
    »Rudis Unfall hat dich schwer mitgenommen«, sagte Tony rasch.
    »Nein, das heißt, ja, stimmt schon«, antwortete Jennifer bedächtig. »Aber ich habe immerzu Blairs Nörgelei im Ohr. Er denkt immer nur an seinen Job, daran, was die Leute von ihm halten, und spielt den Charmanten, aber weißt du, wir lachen kaum jemals miteinander. Bevor ich euch alle hier kennengelernt habe, mit euren Neckereien und Scherzen, war mir, glaube ich, mein Sinn für Humor bereits abhandengekommen.«
    »Wir helfen dir, ihn wiederzufinden«, versprach Isobel.
    »Ich weiß, wie du dich fühlst«, sagte Tony. »Ich hatte auch nicht viel zu lachen bei meinen Reisen und angesichts dessen, was ich in den letzten paar Jahren gesehen habe. Aber ich stimme dir zu, Jen, hier, in dieser Gruppe, wird man lockerer. Ich fühle mich, hm, entspannt, habe keine Angst, ich selbst zu sein. Ich komme ein bisschen aus meinem Panzer heraus.«
    »Wie eine Schildkröte?«, fragte Jennifer lächelnd.
    Isobel streifte beide mit einem Blick. »Interessant. Ihr beide nehmt alles viel zu ernst. Aber seht euch nur an, wie ihr euch verändert habt, seit ihr hier seid. Auf einer Insel kann man nicht davonlaufen. Es ist eine enge Welt, und nur wenige Leute sehen, wenn einer ein bisschen verrückt wird.«
    »Du musst dem Haifisch-Club beitreten«, sagte Jennifer zu Tony.
    »Das ist eine Herausforderung«, bemerkte Isobel. »Du musst etwas tun, was du noch nie gewagt hast. Etwas, wozu du zu schüchtern, zu ängstlich warst.«
    »Ich werde eine Nacht darüber schlafen«, sagte Tony, als sie vor ihren Wohnungen angelangt waren. »Wollen wir hoffen, dass wir morgen gute Nachrichten bekommen, was Rudi betrifft.«
    »Ich werde ihn heute Abend in mein Gebet einschließen.« Isobel warf beiden ein Küsschen zu. »
Boa noite

     
    Jennifer wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Ihr Bauch fühlte sich unförmig und aufgebläht an. Sie stand auf und setzte sich im Nachthemd – einem alten baumwollenen Männer-Arbeitshemd, das sie auf dem Markt gefunden hatte – in den kleinen Sessel auf ihrem wackligen Balkon. Die Vogelstimmen wurden ihr immer vertrauter; sie hatte das Gefühl, die Familienverbände zu kennen, und inzwischen wusste sie auch mehr über ihre Gewohnheiten und Rituale. Die Stimmen der Sturmtaucher störten oder ängstigten sie nicht mehr so wie zu Anfang. Eine Weile blieb sie sitzen, dann beschloss sie, einen kurzen Spaziergang in die Richtung von Macs Haus zu machen.
    Hinter Tonys Jalousie schimmerte gedämpftes Licht. Entweder schlief er oder er las. Barfuß schlich sie die Treppe hinunter und folgte dem weißen Sandweg, vorbei an den Häuschen, der Kantine, dem Laborgebäude und Außentanks, vorbei am Dusch- und Wäschereiblock bis unter die Bäume, deren Wipfel sich ineinander verfingen, wo der Weg sich in Richtung Ferienanlage und Coral Point gabelte.
    Sie hörte die Vögel klagen und schimpfen, sie fuhren auf und ließen sich wieder nieder. Sie kannte dieses Geräusch; etwas oder jemand musste sie aufgestört haben.
    Sie fuhr herum und sah ein kleines Licht aufblitzen. Es bewegte sich auf und nieder, gab ihr Zeichen. Jennifer stand regungslos da, als aus dem Dunkel der Bäume eine Gestalt ins Mondlicht trat.
    »Ich bin’s nur. Ich wollte dich nicht erschrecken.« Tony kam auf sie zu.
    »Kannst du auch nicht schlafen?«, flüsterte Jennifer.
    »Nicht so richtig. Ich glaubte, etwas Merkwürdiges gehört zu haben. Wahrscheinlich bin ich nur beunruhigt. Hast du auch etwas gehört?«
    Jennifer blickte an ihrem Nachthemd herab. »Nein, ich war schon im Bett. Mir war unbehaglich, und vermutlich bin ich auch noch aufgewühlt wegen Rudi.«
    »Möchtest du einen Schlummertrunk, eine heiße Schokolade oder eine Brühe? Ich habe alles

Weitere Kostenlose Bücher