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Die Korallentaucherin

Die Korallentaucherin

Titel: Die Korallentaucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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alle Tassen im Schrank. Er ist ein Einzelgänger, aber nicht so wie Gideon, der sich seine Freunde gut aussucht und ein Leben ganz nach seiner Fasson führt. Der arme alte Patch ist wohl seit jeher ein Opfer. War in Kriegsgefangenschaft, aber er redet nicht über den Krieg. Und wie so viele von denen hat er sich nie wieder ganz zurechtgefunden. Ist aus seiner Ehe ausgebrochen und hat seine Kinder verlassen, was er bedauert, denn er hat den Kontakt zu ihnen vollständig verloren. Er ist ein Eigenbrötler, und wenn er auch eine Art harmloser Spanner ist, verfolgt er doch vom Rande her das Leben der Leute, stellvertretend für sein Leben.«
    »Trotzdem ist er unheimlich. Aber warum sorgst du dich um ihn? Wegen seiner Gesundheit?«
    »Er ist jetzt Ende siebzig und ziemlich fit, bis auf das im Krieg verlorene Auge. Er arbeitet auf Vertragsbasis und hat ein gutes Händchen als Mechaniker, deshalb behalten wir ihn. Aber letzte Woche habe ich ihn getroffen, und er sagte, falls ihm etwas zustoßen sollte, möchte ich bitte mit Mr.Tony sprechen.«
    »›Zustoßen‹? In dem Sinne, dass er mit einem Herzinfarkt tot umfällt oder so?«
    Rosie war nachdenklich. »Das könnte man annehmen. Aber so, wie er es sagte – ich weiß nicht. Er wirkte irgendwie verängstigt. Ach, lassen wir das. Es ist nur so, dass Patch Informationen, egal, welcher Art, nicht grundlos weitergibt.«
    »Was hat er sonst noch gesagt?«
    »Ach, ich würde nicht sagen, dass er klatscht, aber wenn man ihn ausfragt, kann man nützliche Informationen über Mitarbeiter bekommen, wer mit wem und so weiter, falls ich es wissen muss. Er hat einen scharfen Blick für Unruhestifter. Einer von den Angestellten hat gestohlen. Patch wusste, wer es war.«
    »Und was hat er dir erzählt, Rosie?« Jennifer hatte das Gefühl, dass die Freundin ihr etwas verschwieg.
    Rosie schüttelte den Kopf. »Er hat seine eigene Liste von Leuten, die ›nichts Gutes im Schilde führen‹: Fanzio und Holding, Gordon, vielleicht auch Blair, und er kann diesen Schickimicki-Typen vom Fernsehen, diesen Willsy, nicht ausstehen. Willsy ist ein großer Fan unserer Ferienanlage und kommt immer wieder. Gordon holt ihn nach Sooty, wenn Susie und Blair in London sind.«
    Jennifer überging Susies Erwähnung und überlegte, ob sie Rosie von dem Überfall auf Rhonda erzählen sollte, der, wie ihr es erschien, schon Jahre zurücklag. Jetzt hätte sie sich in der entsprechenden Situation anders verhalten.
    »Ich glaube, Patch hält Blair für dumm, weil er sich von den hohen Positionen dieser Leute beeindrucken lässt. Aber wieso mache ich mir Sorgen wegen der Zwangsvorstellungen eines einsamen alten Knaben? Ich muss jetzt los. Hey, hast du Lust, nächste Woche mit Bev und mir in Headland essen zu gehen? Und mit deiner Mutter?«
    »Danke, Rosie, von Herzen gern. Aber du musst Mum nicht immer einbeziehen. Beverly sieht sie bestimmt oft genug auf dem Tennisplatz und im Krankenhaus.«
    »Deiner Mutter macht es Spaß, Florence Nightingale zu spielen, den armen ans Bett Gefesselten Hilfe und ein Lächeln zu schenken.« Rosie lachte.
    »Du meinst Zeitschriften, Süßigkeiten und ihre Lebensgeschichte. Gott, diese armen Menschen, die sich die endlosen Geschichten über ihre Zeit auf der Farm und so weiter anhören müssen. Wie Bev zu berichten weiß, hat sie eine völlig neue Familiengeschichte erfunden«, sagte Jennifer. »Trotzdem, ich bin froh, dass sie beschäftigt ist und das Gefühl hat, sich nützlich zu machen.«
     
    Hin und wieder besuchte Jennifer Gideon, um den Sonnenuntergang zu genießen oder mit ihm zu essen. Jedes Mal begleitete er sie, um seinen »Gesundheitsspaziergang« zu absolvieren, zurück zur Forschungsstation. Sie war dankbar dafür, denn wenngleich die Insel ihr nun vertraut war und der Pisonienwald keine Schrecken mehr barg, sahen die leeren Häuschen und Labore der Forschungsstation doch irgendwie verloren aus. Wo früher Musik, Geplauder, Lachen und Geschäftigkeit war, Pumpen und Maschinen liefen und Licht brannte, war jetzt nur noch ein Häuschen beleuchtet, und zwar das, in dem Mick und Sandy wohnten, das Pärchen, das sich mit Korallenforschung beschäftigte.
    In Abwesenheit der restlichen Gruppenmitglieder ließ Gideon seinen philosophischen und poetischen Betrachtungen freien Lauf. Jennifer genoss die Gesellschaft des alten Mannes; sie erzählte ihm von ihrer Kindheit, ihrem Heranwachsen auf der Farm, stellte ihm endlos Fragen zu seiner Reise- und Segelzeit und wollte

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