Die Korallentaucherin
du so intim mit ihnen bist und deine Chefin nichts davon weiß?«
Er sah sie einigermaßen überrascht an und sagte dann fest: »Jennifer, das geht dich nichts an. Und sprich darüber nicht mit Rosie. Sie erfährt noch früh genug den Stand der Dinge. Überlass alles mir.«
»Wie meinst du das? Dein Job, deine Zukunft, das geht auch mich etwas an. Und unser Kind. Hör auf, mich wie eine dumme, unreife Frau zu behandeln«, fuhr sie ihn an.
»Hör zu. Als wir geheiratet haben, waren wir übereingekommen, dass ich der Ernährer bin, da ich die Fähigkeiten mitbringe. Deshalb stand meine Karriere an erster Stelle. Von dem, was du verdient hast, hätten wir nicht leben können. Ich blicke in eine Zukunft, in der wir ein sehr, sehr angenehmes Leben führen können, weit besser als das, was ich damals in Sydney hatte.«
Jennifer saß ganz still da. Seine Worte »Was ich in Sydney hatte« trafen sie hart. »Ich habe also nichts zu dieser Ehe beigetragen?«
»Ach, sei nicht albern. Du hast deinen Anteil geleistet, wir konnten uns glücklich schätzen, dass ich eine Wohnung für uns hatte. Du hast dir selbst ein Auto gekauft. Das war gut so.«
»Blair, wir hätten uns zusammen eine Wohnung kaufen und auf gleicher Augenhöhe unsere Ehe beginnen können. Du gibst mir das Gefühl, total … abhängig zu sein.« Jennifer stand auf.
»Jennifer, ich gebe nur acht auf dich, wie ich es deiner Mutter versprochen habe.«
»Herzlichen Dank, aber ich glaube, ich kann auf mich selbst achtgeben.«
Blair griff nach ihrer Hand. »Fang jetzt nicht an zu heulen. Du erwartest ein Kind und hast eine Mutter, die eine lästige Klette ist und eines Tages alt sein wird. Hoffentlich kann meine Familie sich selbst versorgen. An all diese Dinge muss ich denken.«
»Gut, Blair, das alles ist sehr lieb von dir. Kämpfe du dich an die Spitze, laufe dem großen Geld hinterher, wenn es das ist, was du willst. Ich glaube nicht, dass wir das brauchen.« Sie war den Tränen nahe. »Ich möchte, dass wir eine richtige Familie sind.« Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und verließ den Speisesaal durch die Seitentür in Küchennähe. Kaum war sie außer Sichtweite, rannte sie den Sandweg hinunter, bog beim Tauchercenter ab und warf sich in den Sand.
Dort blieb sie sitzen und dachte über das Gespräch nach. Blair war der Meinung, richtig und verantwortungsbewusst zu handeln. Was sie noch mehr bekümmerte, war das Wissen, dass sie sich nie wirklich selbst ernährt hatte, außer während ihrer kurzen Zeit als arme Studentin. Und wie sehr Vi und Don sie und ihre Mutter unterstützt hatten. Sie hatte Blair kennengelernt und war bei ihm eingezogen. Sie hatten geheiratet, und jetzt folgte sie ihm, besitzlos und schwanger. Wie würde sie zurechtkommen, wenn sie mit einem Kind allein wäre? Ihre Qualifikationen waren in der Praxis nutzlos. Sie konnte Worte über ihr vertraute Themen zu Papier bringen. Was konnte sie damit anfangen?
Deprimiert und demoralisiert stand sie auf und ging zurück zu ihrem Häuschen. Sie wollte mit Mac reden; er konnte ihr vielleicht einen Rat geben. Und sie dachte an Gideon. Der alte Strandräuber hatte Lebenserfahrung, von der sie womöglich profitieren konnte. Was sie brauchte, war eine Vaterfigur, die ihr sagte, dass alles gut werden würde. Sie hätte gern gewusst, welchen Rat ihr eigener Vater ihr gegeben hätte, wenn er noch bei ihr wäre. Leider brachten ihr die Erinnerungen an einen von den Umständen und einer dominanten Frau gebrochenen Mann, der lieber seinen Kopf in den Sand steckte und sich durch Flucht entzog, nicht viel Trost.
Zu Hause angekommen, fühlte sie sich erhitzt und unwohl. Sie zog sich aus, wickelte ihren nackten Körper in den Sarong, ging spontan nach draußen und stellte sich im Freien unter die Dusche. Zuerst war das Wasser heiß von der Sonne, bevor es kühler wurde. Sie füllte die Muschel auf, in der die Vögel Sand und Blätter hinterlassen hatten. Sie war im Begriff, hier in ihrem abgeschirmten Garten den nassen Sarong auszuziehen, doch als sie sich zu den Büschen umdrehte, sah sie etwas Gelbes aufblitzen. Da stand ein Mann und beobachtete sie. Es war der ältere einäugige Hilfsarbeiter, der da stand, ein dummes Grinsen im Gesicht. Sie erstarrte, Rhondas Anblick schoss ihr durch den Kopf, dann Willsys feixendes Gesicht – und im Vergleich dazu wirkte der alte Mann harmlos. Sekunden zuvor hatte sie noch schreien wollen, ins Haus laufen, mit dem Gefühl, dass sie beschmutzt, ihre Privatsphäre
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