Die Korallentaucherin
Betreffenden es schwer haben, mich, die Universität, der die Forschungsstation untersteht, und die Medien zu überzeugen. Warten wir ab, was das Inspektionsteam zu sagen hat.«
»Die Medien könnten beide Argumentationen stützen. Es hängt vom Journalisten oder dem Publikationsmedium ab, nicht wahr?«, gab Blair zu bedenken. »Und ich glaube nicht, dass ein ernstzunehmendes Team hierherkommt. Meiner Meinung nach sind Fanzio und Holding nach allem, was sie gesehen haben, durchaus im Bilde.«
»Das kann nicht dein Ernst sein. Wie viel haben sie denn gesehen? Sie haben keine Vorstellung von der Bedeutung dieser Insel und des Riffs, von der Arbeit, die hier geleistet wird«, sagte Rosie und dachte, dass Blair ebenfalls keine Ahnung hatte. »Was hast du ihnen gezeigt? Haben sie die Forschungsstation besucht?«
»Nicht, dass ich wüsste. Wo liegt denn eigentlich das Problem, Rosie? Je exklusiver das Unternehmen wird, desto besser sind die Job-Möglichkeiten, würde ich sagen.«
»Das ist der eine Blickwinkel. Für mich ist meine Arbeit als Geschäftsführerin hier nicht nur ein Job. Klar, es ist wichtig, dass die Gäste sich wohl fühlen, aber für mich besteht das eigentliche Privileg darin, ihnen die Schönheit der Natur und die Besonderheit und Empfindlichkeit des Riffs vor Augen zu führen. Hast du schon mal am Riff getaucht, Blair? Geschnorchelt?«
»Ich habe zu viel zu tun. Auf Sooty fühle ich mich der Natur nahe. Ich schätze, diese Anlage kann beides vereinbaren, ein bedeutend exklusiveres, schickeres Urlaubsdomizil auf Branch und ein paar naturverbundene Tage auf Sooty. Geruhsam, entspannt. Mir gefällt es dort.«
»Das dachte ich mir«, bemerkte Rosie spitz. »Okay, Blair, ich wollte nur, dass dir klar ist, was hier vorgeht, und dass du diesen englischen Bengel im Auge behältst – Gordon Blake. Und es ist nicht nötig, dass der Rest der Belegschaft davon erfährt. Er ist weiter nichts als ein Rucksacktourist mit ein bisschen Gastronomie-Erfahrung, der ein, zwei Monate hier arbeiten will.«
Blair verließ das Büro, und Rosie blieb mit einem Gefühl der Unterlegenheit zurück. Sie zweifelte nicht daran, dass Blair hinter ihrem Rücken intrigierte, denn er war ehrgeizig. Dagegen war grundsätzlich nichts einzuwenden, doch Fanzio und Holding gehörten zum mittleren Management und hatten nicht viel zu sagen im internationalen Vorstand, der die wichtigen Entscheidungen traf. Trotzdem war Rosies Besorgnis groß genug, um Mac auf das, was im Schwange war, aufmerksam zu machen.
Jennifer arbeitete in »ihrem Büro«, wie sie es inzwischen nannte, gleich neben Rudis Labor. Endlich war das Ende von Professor Dawns Buch in Sicht, das sie, Isobels anschaulicher Analogie zufolge, für sich mit dem Untertitel »Die Schlange der östlichen Meere« versehen hatte. Doch der trockene alte Dawn würde, so vermutete sie, einem derart poetischen Titel für sein Werk niemals zustimmen.
»Du siehst so zufrieden aus.« Isobels lächelndes Gesicht erschien in der Tür.
»Bin ich auch!«, bestätigte Jennifer begeistert. »Ich bin fast fertig. Mein Chef, Professor Dawn, hat mir per E-Mail mitgeteilt, dass er ›positiv überrascht ist über die Qualität der Interpretation seines Forschungsmaterials‹. Das zu sagen, hat ihm bestimmt Bauchschmerzen verursacht.« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Komm rein. Was machst du so?«
»Ich habe mich mit Rudi unterhalten, mir seine Theorien darlegen lassen. Er versucht zu beweisen, dass die in den Augen der Bevölkerung unbedeutenden Pflanzen in unseren Meeren in ihren Zellen Geheimnisse über die Heilung von Krankheiten an Land bergen. Wie der Regenwald, nur unter Wasser.« Sie hockte sich auf den zweiten Stuhl, den Jennifer aus dem Aufenthaltsraum ausgeborgt hatte. »Ah, Jenny …« Sie sprach ihren Namen
Jeniiie
aus, was Jennifer ein Lächeln entlockte. Es war eine nette, intime Art, ihren Namen zu betonen, den sie bislang immer etwas langweilig gefunden hatte. »Wie wenig wissen wir doch über diese Dinge, und dann sind sie verschwunden, bevor wir ihr Potenzial restlos erforschen konnten.«
Jennifer sah Isobel an. Sie war lässig gekleidet in marineblaue Bermudashorts, ein rotes T-Shirt, weiße Segeltuchschuhe und mit einem breitkrempigen Schlapphut aus Baumwolle. Ihre Haut war glatt und olivfarben; sie trug kaum Make-up bis auf leuchtend roten Lippenstift. »Deine Arbeit erscheint mir so wichtig und spannend. Isobel, warum beschäftigst du dich gerade mit diesem Thema?
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