Die Kraft der positiven Gefühle. Mit neuen Mentaltechniken innerlich frei werden
des Umgangs mit belastenden Gefühlen wie z.B. Ängsten wurde jedoch – wie weiter oben bereits erwähnt – erst durch Analysen innerhalb der Psychologie der Emotionalen Intelligenz entdeckt:
Anstatt die Angstwahrnehmung z.B. bei Phobien mit einer Entspannungsreaktion zu koppeln, wird die emotionale Reaktion viel schneller und nachhaltiger verlernt, wenn wir statt dessen auf das Unangenehmsein des Fühlens fokussieren („Aversio Fokussierung“. Vergl. dazu Peter Schmidt: Mythos Emotionale Intelligenz. 2010. Scanning. Neue Mentaltechniken gegen emotionalen Stress . 2006).
Zusätzlich kann dabei auch problemlos mit Entspannungsreaktion mit eingesetzt werden, z.B. innerhalb eines Wechsels der Aufmerksamkeit.
Da wir negative Gefühle bei der Desensibilisierung nicht nur zulassen, sondern absichtlich in den Blick bringen und „ausfühlen“, ist diese mentale Technik in gewissen Grenzen der Struktur nach mit der aus der Psychotherapie bekannten „paradoxen Intention“ (nach V. E. Frankl) verwandt:
Wird eine Angst willentlich angestrebt, dann verliert sie durch die Aufhebung der instinktiven Flucht- und Vermeidungstendenz ihre emotionale Dynamik.
Bei der Desensibilisierung tritt eine Schwierigkeit auf, vor der auch erfahrene Übende nicht gewappnet sind:
Wir bemerken oft unsere negativen Gefühle nicht. Ein bestimmter Gedanke, eine Vorstellung, Erinnerung usw. wird uns zwar inhaltlich, seiner Bedeutung nach, bewusst, aber nicht formal gesehen, als Gedanke. Wir wissen dann nicht, dass wir denken, oder wir wissen es nur sehr vage.
Bei Einführungen in Mentaltechniken ist deshalb eine typische Frage des Trainers: „Hatten Sie während der Übung Gedanken?“
Viele Übende verneinen das, sie sind sich ihrer Gedanken nicht bewusst geworden. Bemerken wir aber nicht, dass wir denken, dann wird uns in aller Regel auch nicht klar, dass unsere Gedanken, und hier vor allem unsere Probleme, positive oder negative Gefühlsauszeichnungen haben.
Sehr oft sind uns zwar bestimmte Gefühlsauszeichnungen von Gedanken bewusst, andere dagegen aber nicht, obwohl sie ganz nahezuliegen scheinen. Wir sind dann oft überrascht und haben ein Aha-Erlebnis, wenn sie uns plötzlich in den Blick geraten.
Typisch ist auch, wie schon in Kapitel 3 erwähnt, eine „Gefühlsverwandlung“ bzw. „Symptomverschiebung“: Das zum Gedanken gehörende negative Gefühl klingt vermeintlich ab, wenn es in neutraler Weise betrachtet wird. Doch in Wirklichkeit verlagert es nur seinen Ort und wird z.B. körperlich. Vielleicht spüren wir dann ein gespanntes Gefühl im Mundbereich oder einen Schmerz auf der Brust.
Die Kunst der Desensibilisierung besteht nun gerade darin, sich auch solcher Gefühle bewusst zu werden. Dies geschieht einfach durch methodisches Suchen und das Wissen um derartige Probleme. Mit zunehmender Übung fällt es immer leichter, sich seiner subtilen oder vorbewussten Gefühle bewusst zu werden.
Sollten Sie noch Schwierigkeiten haben, die subtilen negativen Gefühle an Gedanken und Vorstellungen zu identifizieren, dann hilft eine kleine Zusatzübung, wie sie am Ende dieses Kapitels beschrieben wird.
Desensibilisierung führt keineswegs dazu – und sollte auch nicht so missverstanden werden –, dass wir unsere Aktivitäten nun bevorzugt nach innen verlegen. Desensibilisierung macht nicht introvertiert oder „autistisch“ – und übrigens auch nicht hypochondrisch, phlegmatisch, egoistisch oder hedonistisch, als würden wir uns nur noch um uns selbst kümmern. [60]
Ein Problem, das sac hlich bewältigt werden kann, bedarf keiner mentalen Beeinflussung – darauf wurde schon mehrfach hingewiesen. Ein Problem, das sachlich schwer zu bereinigen oder nur durch Flucht zu umgehen ist, lässt sich auf diesem Wege dagegen sehr oft lindern oder beseitigen.
Sie werden selbstverständlich auch weiterhin Ihr Dach abdichten, wenn es durchregnet, oder die Feuerwehr benachrichtigen, falls es brennt, und nicht versuchen, sich durch Desensibilisierung unempfindlich gegen die unangenehmen Gefühle der Nässe und Kälte oder den Verlust Ihres Hauses zu machen. Dazu bedarf es also keiner weiteren Hinweise.
Kritik solcher Art an mentalen Techniken hat eine lange Tradition. Beliebt ist das Argument, man weiche durch den Gang nach innen der notwendigen Auseinandersetzung mit anderen Menschen aus und verliere seine Fähigkeit zur Kommunikation. Tatsächlich ist eher das Gegenteil
Weitere Kostenlose Bücher