Die Kraft der positiven Gefühle. Mit neuen Mentaltechniken innerlich frei werden
ihren kathartischen, entautomatisierenden und desensibilisierenden Effekt. Das Problem hat dann sein negatives Gefühlslicht eingebüßt und ist Ihnen nur noch seiner Bedeutung nach zugänglich.
Focusing ist, wie Eugen T. Gendlin hervorhebt, kein simples „Selbstgespräch“ und auch kein „analytischer Prozess“. Gendlin unterscheidet zwischen sechs „Bewegungen“ beim Focusing:
Einen Raum schaffen
„felt sense“
Einen Griff finden
Vergleich
Fragen
Aufnahme
Unter „Raum schaffen“ wird eine güns tige Ausgangslage verstanden. Diese erreicht man am leichtesten durch Entspannung und zulassende Betrachtung innerer Vorgänge, d.h. wiederum ohne Absicht, Erleichterungserwartung, Bewertung, Kritik.
Unter „felt sense“ versteht Gendlin einen irgendwie gearteten inneren Komplex von Gedankenbedeutungen (z.B. Erinnerungen, Vorstellungen, Problemen) in Verbindung mit den dabei erscheinenden Gefühlen.
Weil Gendlin jedoch die wesentlichen Eigenschaften des Gefühls nicht klar als Angenehm- und Unangenehmsein bestimmt hat, sind die klassischen Anweisungen des Focusing – bei allen Verdiensten – vage und führen leicht in die Irre.
Wir bevorzugen daher die in Kapitel 8 vorgestellte vereinfachte Form des Focusing, die gradliniger zum eigentlichen Problem geht, und verwenden den Ausdruck „felt sense“ nicht mehr.
Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit bei der Vorstellung eines Problems einfach auf dessen feinste negative und positive Gefühle und Stimmungen. Wir wissen meist sehr wohl, was angenehm oder unangenehm ist – zumindest dann, wenn wir systematisch danach suchen. Die Anweisung dagegen, einen „gefühlten Sinn“ zu finden, geht oft ins Leere und stößt bei vielen Menschen auf berechtigtes Unverständnis.
Mit der Achtsamkeit auf das Unangenehmsein oder Angenehmsein des Gefühls ist es dann leichter, dem Gefühl (oder auch der „Leere“) eine Bezeichnung zuzuordnen.
Anstelle der Fragen Gendlins (Punkt 5) an das Problem oder den „felt sense“ [68] , die Sie selbst erst finden müssen, können Sie auch mit unseren vorformulierten und standardisierten Fragen der Ja-Nein-Technik und der Ja-Nein-Wunsch-Technik arbeiten. Diese sind insofern von Vorteil, als sie einer klaren Struktur folgen, nämlich der Frage nach der weiteren Existenz des Problems und des eigenen Wunsches dazu:
„Wird das Problem weiterbestehen?“
„Wünsche ich mir, dass das Problem weite rbesteht?“
„Habe ich den Wunsch …?“
Lesen Sie in den Ka piteln 6, „Ja-Nein-Technik“, und 7, „Ja-Nein-Wunsch-Technik“, wie diese Techniken eingesetzt werden.
Anstelle von Gendlins Punkt 6, „Aufnahme“, setzen Sie die Technik des zulassenden, neutralen Zeugen ein. Gendlin empfiehlt dagegen: „Heißen Sie alles willkommen, was kommt.“ [69]
Diese Em pfehlung deckt sich nicht mit den Grundforderungen der Philosophie der Emotionalen Intelligenz – sie erzeugt nämlich fälschlich den Eindruck, als sollten wir auch negative Gefühle gutheißen. Gutgeheißen wird jedoch allenfalls der Prozess der Katharsis.
Eine Ausnahme davon macht nur die sogenannte „paradoxe Intention“, bei der wir aus therapeutischen Gründen ein negatives Gefühl bejahen, um die Wirkung des betrachtenden Zulassens zu verstärken (Kapitel 3, „Problem-Desensibilisierung“).
Sehr effektiv wird Focusing auch, wenn Sie nach den Versuchen der Benennung des Problems („Symbolisierung“) – ob sie nun in dieser Sitzung erfolgreich war oder nicht, vor allem aber auch, wenn die Benennung nicht erfolgreich war und Sie keinen Namen für das Problemgefühl gefunden haben – versuchsweise folgende Benennungen einsetzen:
„Negativ? Positiv?“
Diese Fragen justieren Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Unangenehm- und Angenehmsein des Gefühls. Wenn Sie nun den Gefühlsaspekt in der Haltung des Zeugen zulassen und zugleich das Gefühl durch eine angemessene – und in diesem Fall auch wesentliche – Bezeichnung charakterisieren, verbinden Sie die therapeutische Wirkung der Problem-Desensibilisierung mit der des Focusing.
INFO 11
Spontanes und forcie rtes positives Denken
Oft denken wir im Alltag spontan positiv – und werden uns dieser Strategie vielfach gar nicht bewusst. Wir lassen ein Problem oder einen „Unwert“ los, wir wenden uns von einem Problem ab, wir wenden uns einer Lösung oder auch nur einer Möglichkeit oder Hoffnung zu.
Manchmal lässt sich
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