Die Krankenschwester
Teil wie eine Glocke schwang. Ich schloß die Türen des Wagens und folgte Glenda, die bereits auf den Eingang des Krankenhauses zuschritt.
Wahrscheinlich war Sir James noch zu schwach, um uns überhaupt richtig wahrzunehmen. Die Blumen wohl erst recht nicht. Außerdem hatte ich irgendwo mal gelesen, daß Blumen nicht eben förderlich für die Genesung eines Kranken sind, wenn sie in dessen Zimmer stehen, aber wer kommt schon gegen Frauen an, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten?
Glenda erreichte als erste die Anmeldung und ergriff auch dort die Initiative. Ich hielt mich im Hintergrund und schaute mich in der Halle um, in der es zahlreiche Sitzgelegenheiten gab, wo sich Besucher und Patienten niedergelassen hatten, um miteinander zu sprechen.
Sir James lag auf der Privatstation eines Professor Carter. Wir fanden sie in der ersten Etage, verzichteten auf den Lift und nahmen die Treppe.
»Lange werden wir bestimmt nicht bleiben können«, sagte ich, »denn ich gehe mal davon aus, daß Sir James noch ziemlich schwach ist.«
»Ja, John. Aber du kannst sagen, was du willst, ich möchte ihn trotzdem sehen. Es ist schon mehr als ungewöhnlich, unseren Chef im Krankenhaus zu besuchen. Einen solchen Besuch bin ich ihm einfach schuldig. Schließlich arbeiten wir lange genug zusammen.«
»Das bestreitet auch keiner.«
»Du kommst mir aber so vor, als hättest du keine Lust.«
Ich hob nur die Schultern.
In der ersten Etage orientierten wir uns kurz, bis wir den Zugang zur Station entdeckt hatten. Außerdem waren auch die entsprechenden Schilder zu sehen.
Angemeldet hatten wir uns nicht. Diesmal hielt ich Glenda die gläserne Schwingtür auf. Der lange Flur. Zwei Betten, die man nach draußen geschoben hatte. Schwesternzimmer, eine Toilette, das Büro des Chefarztes, das in der größeren Nische mit drei Türen lag, all das nahm ich ebenso auf wie den typischen Krankenhausgeruch, der aber nur sehr schwer zu beschreiben ist. Ich hörte das Rascheln des dünnen Papiers, in dem der Blumenstrauß eingewickelt war.
Am Schwesternzimmer blieb Glenda stehen. Sie klopfte gegen die Tür, obwohl sie offenstand. Eine Schwester, die am Tisch saß und etwas auf ein Blatt Papier schrieb, hob den Kopf. Sie nahm ihre Brille ab und erkundigte sich nach unseren Wünschen.
»Zu Sir James Powell möchten wir.«
»Oh. – Er ist noch ziemlich schwach und…«
»Man hat es uns erlaubt«, stand ich Glenda bei.
»Der Professor?«
»Ja, mit dem sprachen wir.«
»Dann sind Sie die Polizisten vom Yard.«
»Richtig.«
Die Schwester stand auf und kam auf uns zu. Sie war schon älter und ziemlich gut beisammen. »Sie müssen den Flur bis zum Ende durchgehen. Es ist die letzte Tür auf der rechten Seite.«
»Danke.«
»Liegt er in einem Einzelzimmer?« fragte Glenda.
»So ist es.«
»Noch mal danke.«
Die Schwester zog sich wieder an ihren Arbeitsplatz zurück, und wir setzten unseren Weg fort.
Etwas hatte sich auf dem Flur verändert. Wir waren nicht die einzigen Besucher, denn uns kamen zwei Frauen entgegen. Eine von ihnen trug einen weißen Kittel, sie sah aus wie eine Krankenschwester. Die andere Person trug Uniform. Eine Wärterin, wie man sie in Gefängnissen und Zuchthäusern findet.
Wir waren beide überrascht, verlangsamten auch unsere Schritte, und ich bekam mit, wie Glenda den Kopf schüttelte.
»Was hast du?«
»John, diese Frau im Kittel kenne ich.«
»Woher?«
»Nicht persönlich, sondern aus der Zeitung, John. Das ist die dreifache Mörderin, von der ich dir erzählt habe, diese ungewöhnliche Krankenschwester.«
»Bist du sicher?«
»Bestimmt.«
»Und was tut sie hier?«
»Willst du sie fragen?«
»Nein. Ich hoffe nur nicht, daß auch sie Sir James einen Besuch abgestattet hat.«
»Warum sollte sie?« flüsterte Glenda.
Eine Antwort verschluckte ich, denn die beiden waren uns sehr nahe gekommen. Die Begleitperson mit den roten Haaren interessierte mich weniger; ich konzentrierte mich auf die Krankenschwester und dabei auf das Gesicht.
Manchmal gelingt es ja, innerhalb weniger Sekunden einen Menschen einzuschätzen, und hier hatte ich das Glück, als ich mich vor allen Dingen auf die Augen konzentrierte.
Die Frau hatte kalte Augen. Einen sehr harten Blick, und sie wich meinem nicht aus.
Plötzlich blieb sie stehen, als wollte sie uns vorbeilassen. Aber sie sprach mich an: »Kennen wir uns?«
»Nein.«
Sie nickte. Dann sagte sie ohne ersichtlichen Grund: »Ich glaube, daß wir uns nicht
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