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Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Titel: Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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in Sicherheit wähnte. Der Gedanke, dass das kostbare Buch beschädigt, verlorengehen oder, schlimmer noch, gestohlen werden könnte, war unerträglich. Manchmal bereute er sogar, das Tagebuch überhaupt ausgegraben zu haben. Aber er hatte keine Wahl gehabt. Nur so konnte er sein Leben retten – seines und das der anderen Erben.
    ***
    Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er hinter seinem Cousin über den Platz der Büßer ging. Sie mussten näher an den Springbrunnen heran. Cael reckte bereits den Kopf und sah sich ungeduldig nach ihm um.
    Amanon blieb einen Augenblick stehen, um den Beginn des Prozesses zu beobachten. Auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude thronte der Hofrichter, ein ehrwürdiger älterer Herr, dessen Gewand in den Farben seines Amtes leuchtete: Rot und Grün. Sein Pult und sein Stuhl wurden jeden Tag für die Verhandlung herbeigetragen. Zu beiden Seiten des Richters warteten der königliche Ankläger, der Verteidiger, das Opfer und der Angeklagte. Im Hintergrund standen drei Trommler, die die Verhandlung mit lauten Schlägen begleiteten. Etwa dreißig lorelische Gerichtssoldaten, Bodonier genannt, bildeten mit gekreuzten Hellebarden einen Schutzwall zwischen Richter und Zuschauern.
    Fünf Gerichtsbeamte waren dafür zuständig, eine Niederschrift vom Verlauf des Prozesses anzufertigen und unter den Zuschauern die Schöffen auszuwählen. Jeder Einwohner der Stadt, ganz gleich, welchen Geschlechts, Alters oder Standes, konnte diese Aufgabe übernehmen. Die Schöffen wurden nur der Form halber zurate gezogen, das Urteil fällte der Richter allein. Jeder Schöffe wurde jedoch mit einer Silberterz entlohnt, weshalb die Bodonier mit ihren Hellebarden eine ganze Schar Anwärter zurückdrängen mussten. Alle hofften, nach dem Ende der Plädoyers auserwählt zu werden, die Stufen des Gerichts erklimmen und ihre Meinung kundtun zu dürfen. Der lorelische König hielt das für den besten Weg, seinen Untertanen Recht und Gesetz näherzubringen, und erstaunlicherweise schien es zu funktionieren. Die Gerichtsverhandlungen waren stets gut besucht, wenn auch zumeist von den ärmeren Bewohnern der Stadt.
    So drängten sich auf dem Platz der Büßer Marktbesucher und Schaulustige, die den Prozess verfolgten, dicht an dicht. Amanon sah vom Springbrunnen nur die Fontäne, die über dem Meer aus Köpfen aufstieg. Er tippte Cael auf die Schulter und bedeutete ihm, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Dann heftete er sich seinem Cousin an die Fersen, die Hand am Griff seines Krummschwerts.
    Nun war der entscheidende Moment gekommen. Sie wussten nicht, wem sie am Brunnen begegnen würden: Ihren Eltern, Freunden, Unbeteiligten, Züu oder Valiponden. Vielleicht hatten ihre Verfolger von dem geheimen Treffpunkt erfahren, weil sie einen ihrer Verwandten gefoltert hatten. Oder aber ihr Wissen stammte aus einer übersinnlichen Quelle …
    Kurz vor dem Brunnen packte Amanon Cael am Arm und schob sich an ihm vorbei. Sein Herz raste wie wild, obwohl er sich bemühte, Ruhe zu bewahren. Schließlich drängten sie sich an den letzten Passanten vorbei, und Amanon hatte freien Blick auf die Menschen, die auf dem Brunnenrand saßen.
    Auf Anhieb erkannte er Nolan von Kercyan, obwohl sie sich seit ihrer Jugend nicht mehr gesehen hatten. Reys und Lanas Sohn entdeckte ihn ebenfalls und winkte ihm zu. Er sah verblüfft aus, doch das war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das in Amanon aufstieg. Nach nichts hatte er sich mehr gesehnt, als einen anderen Erben zu treffen. Allerdings bestätigte Nolans Anwesenheit auch eine schreckliche Vermutung: Unheil war über sämtliche Kämpfer der Schlacht am Blumenberg und ihre Nachkommen hereingebrochen. Der Fluch, der auf ihm und seinem Cousin lastete, erstreckte sich weit über die Grenzen des Matriarchats hinaus. Mit einem Mal schien Corenns Tagebuch schwer gegen seine Brust zu drücken.
    Nolan von Kercyan stand auf und kam in Begleitung eines langhaarigen Mannes auf sie zu. Sonst gesellte sich niemand zu ihnen, sei es Freund oder Feind. Amanon entspannte sich etwas, obwohl er natürlich traurig war, dass weder seine Mutter noch sein Vater auf dem Brunnenrand saßen. Als er Caels enttäuschtes Gesicht sah, begriff er, dass es dem Jungen nicht anders erging.
    »Nolan«, murmelte er, als er die Hand schüttelte, die der Lorelier ihm entgegenstreckte. »Es ist lange her …«
    Dann gingen ihm die Worte aus. Nach der Lektüre von Corenns Tagebuch wusste er, dass er Nolan, dessen

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