Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
kurzen Erklärungen packten alle hastig ihre Sachen zusammen und flüchteten so schnell wie möglich aus der finsteren Absteige. Noch bevor der erste Dekant verstrichen war, hatten sie etliche Meilen hinter sich gebracht. Unterwegs ließen sich die anderen genauer erzählen, was Eryne widerfahren war, und alle versuchten auf ihre Art, den Schock zu verwinden.
Dass sie die Nacht miteinander verbracht hatten, verheimlichten Amanon und Eryne allerdings. Die beiden waren stillschweigend übereingekommen, sich nichts anmerken zu lassen, als wäre diese gemeinsame Nacht nur eine kurze Flucht aus ihrem Leben gewesen – oder ein wunderbarer Vorgeschmack auf etwas, das einmal sein würde. Auch sprachen sie einander weiterhin in der Höflichkeitsform an. Ihre Freunde dachten sich zwar ihren Teil, waren aber taktvoll genug, nicht nachzuhaken. Selbst Keb respektierte ihr Schweigen, konnte es sich aber nicht verkneifen, Amanon verschwörerisch zuzuzwinkern, was seinem Rivalen ganz und gar nicht passte.
Zejabel erschütterte die Nachricht von dem Überfall am meisten. Die Zü hatte Eryne am Abend auf ihr Zimmer gehen sehen, ohne auch nur im Traum daran zu denken, dass sie es noch einmal verlassen könnte, um mit Amanon zu sprechen. Die einstige Kahati machte sich deswegen bittere Vorwürfe, so sehr Eryne sich auch bemühte, ihr die Schuldgefühle auszureden. Zuletzt behauptete sie sogar, von nun an vor Erynes Tür schlafen zu wollen, und ließ sich erst von diesem Entschluss abbringen, als Eryne es ihr regelrecht verbot.
In den folgenden Tagen sahen die Freunde Zejabel jedes Mal, wenn sie sich in einer Herberge einquartiert hatten, Rundgänge machen. Selbst wenn sie unterwegs ihr Lager aufschlugen und in den Wagen schliefen, hatte sie stets ein Auge auf Eryne und hielt ihren Dolch griffbereit.
Inzwischen hatte sich Zejabel so weit von ihren Verletzungen erholt, dass sie ihr Training wieder aufnehmen konnte. Jedes Mal, wenn sie unter freiem Himmel kampierten, machte sie eine Reihe von Dehnübungen, bei denen ihren Freunden vor Staunen der Mund offen stand. Außerdem gab sie den weniger geübten Kämpfern unter ihnen Unterricht im Bogenschießen oder Messerwerfen. Amanon, Nolan, Eryne, Cael und Niss lernten unterschiedlich schnell, aber Zejabel war froh, ihnen behilflich sein zu können und so ihre fehlende Wachsamkeit in der unheilvollen Nacht wiedergutzumachen.
Eryne war mittlerweile viel lernwilliger. Ihr war jedes Mittel recht, um nie wieder einen solchen Alptraum durchleben zu müssen, und sie war bereit, dafür sogar die Entsinnung oder eine andere übernatürliche Gabe einzusetzen. Doch so aufmerksam sie Zejabel auch zuhörte, es gelang ihr einfach nicht, die nötige Konzentration aufzubringen. Dabei glitt sie mühelos in den Zustand der Entsinnung, sobald sie in Gefahr war! Obwohl sie das ärgerte, gab sie die Hoffnung nicht auf. Nachdem sie dem Tod ins Auge geblickt hatte, kam ihr die Vorstellung, bald unsterblich oder zumindest weniger angreifbar zu sein, gleich viel weniger furchterregend vor. Obendrein fühlte sie sich angesichts der Leidenschaft, die sie in den Armen zweier so gegensätzlicher Männer empfunden hatte, mehr denn je als Frau. Dass sie sich zu einer Göttin entwickeln würde, schien ein geradezu absurder Gedanke.
Keb blieb nicht verborgen, wie sehr Eryne in den letzten Tagen aufgeblüht war, und er warb umso eifriger um sie. Der Verdacht, dass sie auch Amanon ihre Gunst geschenkt hatte, stachelte ihn nur noch mehr an. Bei der geringsten Gelegenheit erzählte er ihr von dem Land, dessen König er eines Tages sein würde, von dem Palast der B’ree, von seinen Dienern und den edlen Bräuchen seines Volkes. Indirekt gab er ihr damit zu verstehen, dass er dies alles mit ihr zu teilen gedachte …
Eryne antwortete ihm stets mit einem Lächeln, ohne auf seine Worte einzugehen, doch obwohl sie sich strenge Zurückhaltung auferlegt hatte, konnte sie nicht verhindern, dass ihre beiden Verehrer immer mehr zu Rivalen wurden. Sie wusste, dass sie selbst daran schuld war, und schwor sich, ihre Eifersucht nicht durch weitere Gunstbeweise zu schüren.
Amanon war weit weniger aufdringlich als Keb, auch wenn seine Gefühle für sie noch tiefer geworden waren. Er achtete ihre Entscheidung mit typisch kaulanischer Höflichkeit und Bescheidenheit und fraß seinen Kummer still in sich hinein. Wenn sich sein Blick in der Ferne verlor, konnten die anderen nur raten, was in ihm vorging.
Mit der Zeit überzeugte Amanon
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