Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
Gruppe zur anderen und musste unwillkürlich lächeln. Die Erben waren nun keine Getriebenen mehr. Sie schätzten ihre Kräfte und Fähigkeiten ab, organisierten ihre Verteidigung und bereiteten sich sogar auf den Gegenangriff vor. Auf einmal kam Eryne ein ganz neuer, ungewohnter Gedanke.
Sombres Tage sind gezählt.
Doch mit diesem Anflug von Zuversicht kehrte auch ihre Angst zurück.
Vielleicht denke ich so, weil ich jeden Sinn für die Wirklichkeit verloren habe!
Vielleicht ließ ihre göttliche Natur sie vergessen, in welcher Gefahr ihre Freunde schwebten – und dass mit ihnen auch die gesamte bekannte Welt untergehen konnte.
Als die Morgensonne das Tal beschien, kehrte der Hüter des Dara mit unverändert stoischer Miene zu seinen Besuchern zurück.
Diejenigen Erben, die noch wach waren, erhoben sich bei seinem Anblick und stupsten die Schlafenden sachte an. Cael hatte die ganze Zeit kein Auge zugetan. Erst hatte er mit seinen Eltern über seine Reise, dann mit Niss und Corenn über ihren geistigen Kampf gegen seinen inneren Dämon gesprochen. Seine Großtante hatte einige kluge Schlüsse gezogen, und so hatten sie schließlich eine Art Schlachtplan entwickelt. Einen Plan, der so gewagt war, dass sich dem Jungen beim bloßen Gedanken daran die Nackenhaare aufstellten.
Als sie Nol auf sich zukommen sahen, vertagten sie das Gespräch auf später. Der Gott begrüßte sie mit einer knappen Verbeugung, als hätte es nie auch nur die geringste Verstimmung zwischen ihnen gegeben. Dann verneigte er sich vor Eryne, ohne Reyan und Amanon zu beachten, die sich schützend vor sie gestellt hatten. Cael fragte sich bang, welche schlechte Nachricht der Unsterbliche wohl diesmal für sie hatte. Seit er erfahren hatte, dass seine Eltern hier gefangen gehalten worden waren, sah er den Hüter des Dara mit anderen Augen. Die Erben konnten wirklich niemandem mehr vertrauen!
»Da Ihr nun alle versammelt seid«, sagte Nol, »würde ich gern erfahren, was Ihr vorhabt. Falls Ihr schon einen Entschluss gefasst habt.«
Betretenes Schweigen trat ein. Sie hatten sich noch nicht über ihr weiteres Vorgehen abgestimmt: Zwar hatte niemand Lust, länger als nötig an diesem sonderbaren Ort zu bleiben, doch wenn sie jetzt den Wunsch äußerten, das Jal zu verlassen, würde Nol sie womöglich wieder ins Gebirge verbannen!
»So weit sind wir noch nicht gekommen«, antwortete Corenn schließlich sachlich. »Dazu müssten wir zunächst wissen, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben.«
»Es steht Euch frei zu bleiben oder zu gehen«, sagte Nol. »Solange Ihr den Kindern nichts antut, werde ich Euch nicht vertreiben.«
Seine Worte riefen ungehaltenes Raunen hervor.
»Soll das ein Witz sein?«, knurrte Grigän. »Da sitzen wir eine halbe Ewigkeit in diesem goldenen Käfig fest, und jetzt lasst Ihr uns einfach so gehen?«
»Wir mussten dafür sorgen, dass möglichst viele von Euch vor Sombre geschützt werden«, erklärte der Gott ungerührt. »Solange wir nicht wussten, ob der Erzfeind schon geboren ist oder erst in drei, zwanzig oder hundert Generationen zur Welt kommt, war das notwendig. Aber nun haben wir erfahren, dass eines Eurer hier anwesenden Kinder der Erzfeind sein wird. Also gibt es keinen Grund mehr, Euch hier festzuhalten.«
»Ihr habt uns belauscht!«, rief Leti vorwurfsvoll.
»Nichts, was im Dara geschieht, entzieht sich meinem Wissen«, gab Nol zurück. »Was Ihr in Erfahrung gebracht habt, ist von großem Wert. Es wird also tatsächlich bald zu dem entscheidenden Kampf gegen Sombre kommen. Wir haben immer noch eine Chance, den Dämon zu bezwingen.«
»Wir?«, fragte Keb spöttisch.
»Der Prinz hat Recht«, meinte Reyan. »Man kann nicht gerade behaupten, dass Ihr Euch bislang sonderlich ins Zeug gelegt habt!«
»Glaubt mir, wir Götter würden Euch gern helfen«, sagte Nol. »Aber das können wir nicht. Im Gegensatz zu den Sprösslingen des Karu sind wir nicht zum Kampf geschaffen. Wir sind nicht einmal imstande, Sombre gegenüber Hass oder Groll zu empfinden. Uns bewegt nur der Wunsch, die Welt so zu bewahren, wie sie ist. Wir können Euch nur mit den Fähigkeiten unterstützen, die uns die Menschen mitgegeben haben.«
»Im
Buch der Weisen
ist von mehreren Kämpfen zwischen Eurydis und verschiedenen Dämonen die Rede«, wandte Nolan ein. »Zum Beispiel von ihrem Sieg über die acht Drachen von Xetame, um nur den bekanntesten zu nennen. Sind diese Geschichten etwa frei erfunden?«
Ein Schalten glitt über das
Weitere Kostenlose Bücher