Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
Nachdem sie ein drittes, diesmal recht großes Dorf umritten hatten, kündigte Keb an, dass sie Wallos gegen Abend erreichen würden. Obwohl alle das Ende des Ritts herbeisehnten, beschlossen sie, noch einmal haltzumachen, bevor sie das letzte Stück des Wegs zurücklegten.
»Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wie wir in Wallos vorgehen wollen«, sagte Grigän, nachdem sie eine Kleinigkeit gegessen hatten. »Was hast du vor, wenn wir in der Stadt sind? Eine Heldentat wie gestern Abend kannst du dir dort nicht erlauben!«
»Einen genauen Plan habe ich nicht«, gab Keb zu. »Ich werde abwarten, wie die Lage in Wallos ist. Wenn sich an jeder Straßenecke Thalitten oder Tuzeener tummeln, ist klar, dass ich nicht einfach zum Palast marschieren kann.«
Seine ehrliche Antwort schien Grigän zu genügen, und auch Amanon war erleichtert, dass sich Keb so besonnen zeigte.
Wenigstens bildet er sich nicht ein, allen Feinden, die sich zwischen ihn und seine Mutter stellen, die Köpfe einschlagen zu können … Andererseits weiß man bei ihm nie!
Wenig später brachen sie wieder auf und ritten zurück zu der Straße, von der sie sich vorsichtshalber ein Stück entfernt hatten. Nach kaum einer Meile tauchte hinter ihnen ein Reiter auf und preschte in rasendem Galopp heran. Als er sich näherte, erkannte Amanon zu seiner Erleichterung, dass es sich um einen Wallatten handelte. Hätte der Fremde einem der anderen Völker aus dem Bund des Ostens angehört, hätten die Erben ihn wohl auf etwas unsanfte Weise daran hindern müssen, von ihrer Begegnung zu berichten. Binnen einer Dezille war der Reiter in Rufweite und bedeutete ihnen mit weit ausholenden Handbewegungen, dass er zu ihnen aufschließen wollte. Da er eine Lowa am Sattel befestigt hatte, vermutete Amanon, dass er zu den Aufständischen gehörte. Allerdings hatte er nicht den Eindruck, den Mann am Vorabend im Dorf gesehen zu haben. Er war nicht besonders groß und noch recht jung, siebzehn oder achtzehn Jahre alt; Amanon hätte sich gewiss an ihn erinnert.
»Ich grüße dich, Herr«, rief der Reiter freudestrahlend. »Ich bin Drec, der jüngste Sohn der Familie N’an!«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Drec«, erwiderte Keb. »Wie geht es deinem Vater?«
Die Miene des jungen Kriegers verdüsterte sich. »Ich weiß es nicht, Herr. Er hält der Königin die Treue, während meine Brüder und ich uns den Aufständischen angeschlossen haben. Vermutlich lebt er immer noch im Palast. Wir wagen es nicht, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen.«
Die Erben schwiegen betreten. Als Übersetzer hatte Amanon bereits mehrmals Länder bereist, in denen Bürgerkrieg herrschte, aber dass sogar Familien in zwei Lager gespalten wurden, hatte er noch nie erlebt.
»Bra’n hat uns berichtet, dass du zurück bist«, fuhr Drec fort. »Ich bin gekommen, um dir meine Hilfe anzubieten, Herr.«
»Wenn du helfen willst, dann kehr um und kümmere dich um deine Brüder«, wehrte Keb ab. »Macht den Tuzeenern das Leben schwer, damit tut ihr mir den größten Gefallen.«
»Bra’n sagte mir schon, dass du keine Eskorte willst«, sagte der junge Mann. »Ich dachte nur, dass jemand dir Auskunft geben sollte, was rund um die Hauptstadt im Gange ist. Ich gehöre zu den Aufständischen, die Wallos überwachen.«
Nachdem Keb ihm aufmunternd zugenickt hatte, berichtete Drec, dass die Länder des Ostens zusätzliche Truppen geschickt hatten, die nun nördlich der Stadt campierten und auf den Marschbefehl zum Tal der Krieger warteten. Es war das dritte Heer, das in den Kampf gegen das Große Kaiserreich zog, und diesmal waren weit mehr Männer rekrutiert worden als zuvor: Manche hatten sich noch freiwillig zu den Waffen gemeldet, aber die meisten waren dazu gezwungen worden. Man munkelte jedoch, dass fortan keine weiteren Soldaten mehr gebraucht würden. Drec interpretierte das als Zeichen dafür, dass die Tuzeener bald aus Wallatt abziehen würden, während Amanon hinter dieser Nachricht noch größeres Unheil vermutete – sobald Sombre Goran erobert hatte, würde er an denjenigen Rache nehmen, die ihm den Gehorsam verweigert hatten.
»Am Südtor ist die Gefahr, einer Patrouille zu begegnen, am geringsten«, erklärte Drec. »Und falls man euch ausfragt, behauptet einfach, ihr wärt Söldner … Das gilt natürlich nicht für dich, Herr«, fügte er hastig hinzu.
»Ich werde niemandem verraten, wer ich bin«, versprach Keb belustigt. »Danke für deine Hilfe. Du wirst Deinan gewiss bald
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