Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
sich zu ziehen und in einem ihrer Kerker zu vermodern.
Sombre gefiel es, den Palastbewohnern Angst einzujagen. In dieser Nacht aber erfreute er sich an einem noch viel grandioseren Streich. Einiges hatte er schon vollbracht: Er hatte sich die Sprösslinge des Kam unterworfen und ein Heer von Dämonen um sich geschart, die ihm in Grausamkeit an nichts nachstanden. Die mächtigste, die prunkvollste je erbaute Pforte ins Jal war vollendet. Und nun hatte er den nächsten Schritt getan: Er hatte den letzten Ewigen Wächter getötet. Dieser Teil des Plans hatte ihm am meisten Vergnügen bereitet.
Er erhob sich aus dem Sessel, von dem aus er seinen Avatar gelenkt hatte, und sein Blick wanderte zu dem steinernen Bogen, dessen alleiniger Herrscher er war. Jetzt hieß es warten. Das Unabwendbare würde geschehen. Selbst er musste sich dem Schicksal beugen. Er konnte nicht länger die Augen davor verschließen: Alles, was seine Verbündeten getan hatten, um ihn vor dem Kampf mit dem Erzfeind zu bewahren, war vergebens gewesen. Er war unvermeidlich. Die Prophezeiung würde sich erfüllen. Ob die Begegnung nun morgen stattfand, in zehn Jahren oder in einem halben Jahrhundert – er konnte ihr nicht entkommen.
Deshalb hatte er beschlossen, dass der Kampf auf seinem Gebiet stattfinden würde. Und nach seinen Regeln.
Drittes Buch:
Das Zeitalter von Ys
Die Erben verbrachten die nächsten beiden Tage auf dem Rücken ihrer Pferde. Während dieser langen Dekanten wurde Nolan immer unruhiger. Sie ritten am Rideau-Gebirge entlang gen Süden, und die Landschaft wurde immer karger, von Menschen wie von Göttern verlassen. Selbst die Söldner, die vom Sandmeer nach Norden zogen, hatten in den letzten Jahren einen großen Bogen um diese Gegend gemacht, erzählte Kebree, und auch er selbst hatte sich stets geweigert, die Ruinen zu besuchen, die von der wenig ruhmreichen Vergangenheit der Wallatten zeugten. Es war das einzige Gebiet seiner Heimat, das er kaum kannte.
So erhöhten die Erben ihre Wachsamkeit, auch wenn sie auf diese Weise nur langsam vorankamen. Grigän, Amanon und Reyan ritten abwechselnd als Späher voraus, während Eryne immer wieder in sich hineinhorchte, um festzustellen, ob sich Dämonen in der Nähe befanden. Alle hielten ihre Waffen griffbereit, und auch in der Nacht, die sie im Schutz eines großen Felsens verbrachten, hatte jeder ein Schwert oder Messer in Reichweite.
Als sie nur noch wenige Meilen von ihrem Ziel entfernt waren, wurde die Anspannung für Nolan schier unerträglich. Schon in den letzten beiden Tagen hatten die Erben kaum ein Wort gewechselt, und nun sprach niemand mehr. Ihre Pferde schritten ruhig aus, doch das Echo ihrer Hufe hallte für sein Empfinden viel zu laut von den Berghängen wider.
Angestrengt suchte er den Horizont ab. Jeden Moment mussten Sombres Mausoleum, Saats Palast und die Sklavenunterkünfte in Sicht kommen. Da sie aus Steinen erbaut waren, die aus dem Gebirge geschlagen worden waren, übersäten seinem Vater zufolge gewaltige, weithin zu erkennende Geröllhaufen die Ebene. Lange konnte es nicht mehr dauern: Sie hatten eine unsichtbare, wenn auch deutlich spürbare Grenze überschritten. In dem Gebiet, das sie nun durchquerten, herrschte Totenstille. Nicht einmal das leiseste Vogelzwitschern war zu hören.
Plötzlich zügelte Grigän sein Pferd und starrte zu einem nahe gelegenen Wäldchen hinüber. Lagen dort etwa Feinde auf der Lauer? Würden sie wieder kämpfen müssen? Die anderen hielten ebenfalls an und griffen zu den Waffen. Die Zeit schien stillzustehen, und Nolan sah aus den Augenwinkeln zu Zejabel. Seine Geliebte antwortete mit einem flüchtigen Lächeln. Auch sie hatte die Augen zusammengekniffen und starrte in das Unterholz; eine Hand ruhte schützend auf Saats Schwert. Wer versuchte, ihr die Waffe abzunehmen, würde es mit der einstigen Kahati zu tun bekommen!
Nach etwa einer Dezille zog Grigän sein Schwert, und die anderen taten es ihm gleich. Mit erhobener Waffe ritt der alte Krieger bis auf zehn Schritte an das Wäldchen heran und rief mit donnernder Stimme, die den gefährlichsten Räuber eingeschüchtert hätte: »Zeigt euch!« Gleich darauf traten zwei mit Lowas bewaffnete Wallatten hinter den Bäumen hervor. Die beiden jungen Männer wirkten verärgert, weil sie entdeckt worden waren, doch als sie Kebree erkannten, hellten sich ihre Mienen auf.
»Verzeih, Herr! Mit dem Mantel hielten wir dich für einen Arkarier«, sagte der Ältere entschuldigend.
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