Die Kriegerin der Kelten
wichtiger als deine oder meine Eitelkeit.«
Die Fronten von Valerius’ und Cunomars ganz privatem Krieg waren somit geklärt. Beide wussten, worum sie von nun an gegeneinander kämpfen würden. »Und ich wiederum«, entgegnete Cunomar mit ruhiger Stimme, »werde nicht einen einzelnen Verräter alles das wieder zerstören lassen, was meine Mutter bereits aufgebaut hat und wofür sie ihre Seele hat hingeben müssen. Du vergisst offenbar, dass ich mit eigenen Augen mit ansehen durfte, wie du in Gallien jene Männer verraten hast, für die du einst in die Schlacht gezogen bist.«
Gierig nahm er jede der Gefühlsregungen, die sich auf Valerius’ Gesicht abzeichneten, tief in sich auf. Cunomar glaubte, nein, er war sich sogar sicher, dass er für einen kurzen Augenblick so etwas wie Kummer über Valerius’ Züge flackern sah. Aber vielleicht waren es auch bloß Angst oder Zweifel gewesen, die plötzlich die sorgsam kontrollierte Maske durchbrachen, die sein Onkel sonst zur Schau trug. In jedem Fall wog allein dieser flüchtige Anblick die unbequeme Nacht, die Cunomar im feuchten Walde verbringen musste, bereits wieder auf.
Laute Stimmen und einige lateinische Wortfetzen zerrissen das kurze, doch angespannte Schweigen zwischen Valerius und seinem Neffen. Am Rand des Nachtlagers wurden Fackeln entzündet. Die Zeit drängte. Rasch und leise mussten sie zurückweichen in den Schutz der Bäume. Dort harrten sie aus, ihre Körper fest auf die kalte Erde gepresst, bis eine komplette Zeltbelegung von acht bewaffneten Männern an ihnen vorbeigestapft war. Voller Misstrauen hatten die Legionare mit ihren Schwertern wahllos ins Unterholz gestoßen und mit ihren Fackeln unter jeden Baum geleuchtet.
Nachdem die Soldaten wieder verschwunden waren, setzte abermals Stille ein. Nach einer geraumen Weile richtete Cunomar sich wieder so weit auf, dass er in der Hocke saß, und wischte sich das modrige Laub aus dem Gesicht. Nichts um ihn herum schien sich zu regen. Er wusste nicht, ob Valerius noch immer in seiner Nähe war oder ob er bereits wieder allein war. Leise flüsterte er in die Nacht hinein: »Im Übrigen hat nicht die Sucht nach persönlichem Ruhm die Bärinnenkrieger heute Nacht hierhergeführt.«
»Aber was war dann der Grund?« Valerius war ganz in Cunomars Nähe. Dennoch klang seine Stimme fern, als ob er geschlafen hätte oder gar träumte.
»Meines Wissens nach befinden sich in diesem Zeltlager doch ziemlich genau zweitausend Legionare«, antwortete Cunomar. »Es wäre also auch aus meiner Sicht der reinste Wahnsinn gewesen, diese zweitausend nun mit gerade einmal achtunddreißig Kriegern angreifen zu wollen. Unser Plan war lediglich, an irgendeiner Stelle ungesehen in das Lager einzudringen und bloß den Legaten zu töten. Genauso, wie seinerzeit die Bodicea den Gouverneur getötet hatte. Damals, als mein Vater in Rom gefangen gehalten wurde.«
»Allerdings mit dem einen Unterschied, dass man dich - im Gegensatz zur Bodicea - sicherlich dabei erwischt hätte. Und dann wärst auch du als persönlicher Gefangener des Kaisers nach Rom verschleppt worden. Denn lebend bist du für die doch noch von wesentlich größerem Nutzen, als wenn du tot wärst. Du bist immerhin der Sohn der Bodicea. Darüber solltest du vielleicht einmal nachdenken. Im Übrigen hatte dein Vater damals großes Glück gehabt. Der Kaiser hatte ihn ja letzten Endes doch nicht zum Tode verurteilt, sondern er hatte ihn begnadigt. Du dagegen würdest unter dem jetzigen Kaiser ganz gewiss nicht mehr lange am Leben bleiben.«
Plötzlich riss die Wolkendecke auf, und hell ergoss der Mond sein Licht über Cunomar und Valerius. Wieder einmal fiel Cunomar auf, wie ähnlich Valerius seinem Vater doch sah, und nun war auch deutlich zu erkennen, dass Valerius ganz zweifellos erschöpft war. Müde fuhr Cunomars Onkel fort: »Wenn wir deinen Schlachtplan dann für heute Abend vielleicht begraben könnten...? Vor morgen früh dürfen wir den Kriegern keinen weiteren Kampf mehr zumuten. Das würde sie überfordern. Und überhaupt brauchen sie noch wesentlich mehr Übung im Kämpfen, ehe wir es wagen können, sie gegen Camulodunum zu schicken. Denn die Veteranen der Zwanzigsten Legion nennen diese Stadt nun immerhin ihr Zuhause. Sie werden also nicht brav in einer Reihe mit dem Marschland im Rücken auf uns warten. Im Gegenteil. Sie werden wortwörtlich ihr Letztes geben, um jenes Land zu verteidigen, das immerhin ihr Lohn ist für fünfundzwanzig Jahre Dienst in
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