Die Kriegerin der Kelten
das Heft eines Schwertes gegen einen Schildbuckel. Augenblicklich setzte die Infanterie sich in Bewegung. Die Männer strebten in Richtung Norden und marschierten damit ihrem Legaten hinterher, für den Fall, dass dieser in seinem Kampf gegen die Eceni noch Unterstützung bräuchte. Die Rettung von Camulodunum war plötzlich wieder vergessen oder zumindest vorübergehend hintangestellt, um erst einmal die Neunte Legion vor der langsam fortschreitenden Vernichtung zu bewahren.
Wie Ameisen, die einer Duftspur folgten, schritten die Legionare jeweils in Viererreihen hintereinander her. Trotz der kurzen Nacht waren sie ausgeruht, mindestens ebenso diensteifrig wie die Pferde der Kavallerie und gewiss nicht weniger kampfsüchtig. Im Gleichschritt donnerten ihre Stiefel über den mit glitzerndem Morgentau überzogenen Grasboden, hallten hart über den Steinernen Pfad der Ahnen. Das Marschlied, das sie anstimmten, war das gleiche wie auch schon am Vortag, nur dass sie diesmal noch eine neue Strophe hinzugefügt hatten. Einige von ihnen hatten die Nacht damit verbracht, eine kleine Lobeshymne auf Civilis und den einsamen thrakischen Kavalleristen zu dichten, und aus vollen Kehlen priesen die Legionare ihre beiden Helden nun für deren Mut.
Cunomar beobachtete, wie die Männer erst Civilis und dann Longinus ihren Gruß entboten, während diese gerade ihre beiden lahmenden Tiere zurück ins Lager führten.
»Noch nicht.«
Genau in dem Augenblick, als auch der Letzte der Männer den tückischen Pfad entlang des Waldes betreten hatte, brach der Erste von ihnen auch schon tot zusammen.
Urplötzlich kam die Batavische Kavallerie aus dem Dickicht herausgeprescht, und ihre Hornbläser stießen falsche Signale aus, um ihre Kameraden von der Infanterie zu verwirren. Die allgemeine Verunsicherung hielt zwar nur wenige Herzschläge lang an, doch diese Zeitspanne reichte aus, um die Legionare so weit aus den geordneten Reihen ihres Marschtrupps hinauszutreiben, dass sie sich nun nicht mehr in ihrer gewohnten Formation Rücken an Rücken zusammenschließen konnten und ihnen somit ein wesentliches Element ihrer Verteidigungstaktik fehlte. Das Kriegsheer der Eceni hatte währenddessen das Nachtlager der Legionare umzingelt. Die Gräben waren fast vollständig wieder aufgefüllt, und die Palisadenpfähle warteten zu ordentlichen Packen verschnürt auf ihre Weiterreise. Allein die Zelte der Männer waren noch nicht zusammengelegt und breiteten sich wie tote Motten über den gesamten Lagerplatz aus.
»Jetzt!«
Cunomars Bärinnenkrieger waren die Ersten, die sich auf die feindlichen Soldaten stürzten, und nahmen somit das größte Risiko des Kampfes auf sich. Doch genau das war auch ihr Wunsch gewesen, und Cunomar hatte in der Nacht zuvor versprochen, ihnen diesen Wunsch zu gewähren. Auf seinen Befehl hin stürmten sie durch die bereits halb niedergerissenen Tore des Nachtlagers, warfen sich auf die letzte noch verbliebene Zenturie von Männern, die noch nicht einmal damit begonnen hatte, ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, sondern die nun lediglich mit Schaufeln und Stöcken bewaffnet um ihr Leben kämpfen musste.
Die Schlacht war blutig, doch kurz und kostete letztlich sämtliche Soldaten der ersten und zweiten Kohorte der Neunten Legion das Leben. Zwar hatten auch die Eceni einige Verluste zu beklagen, doch überstieg die Zahl der feindlichen Opfer die der eigenen um etwa das Fünf- oder Sechsfache. Von den Batavern dagegen war niemand getötet worden, und auch die Bärinnenkrieger hatten nur zwei Tote zu beklagen.
Dann begann die eigentliche Arbeit. Die Leichen mussten ihrer Rüstungen und ihrer Waffen entledigt, die Tornister mit Marschverpflegung und Kleidung ausgepackt und die Säcke mit Alteisen geleert werden, schließlich könnte man Letzteres wieder einschmelzen und zu neuen Klingen schmieden. Insgesamt erstreckte sich diese Plünderung der Leichen und des Lagers bis weit in den Tag hinein.
Gegen Mittag hockte Cygfa sich neben Cunomar, als dieser gerade den letzten der getöteten Zenturionen entkleidete. Das Schwert des Mannes war im Kampf zerbrochen, so hart hatte er damit gefochten, und auch sein Schild war zu stark demoliert worden, als dass man ihn noch hätte reparieren können. Um ihn herum lag eine Handvoll niedergemetzelter Krieger, allesamt mit Kopfwunden oder Stichverletzungen in der Brust. Unter der Rüstung des Legionars sickerte noch immer Blut heraus und auch aus der klaffenden Wunde an seinem Hals, wo
Weitere Kostenlose Bücher