Die Kriegerin der Kelten
hatten und die andere Menschen nicht derart in die Enge drängten, dass diese in ihrer Not ihre eigenen Hunde abschlachteten und aßen, in dem geweihten Tempel eines Mannes, den man zum Gott erhoben hatte.
An einem klaren, blauen Himmel verdeckte weiterhin eine einzelne Wolke die Sonne. Und noch immer warteten vor der Tempelhofmauer die Krieger. Der Tag schien allein aus Tod und Staub zu bestehen, und nichts schien dies ändern zu können.
Langsam nur glitt die Wolke beiseite und gab die Sonne frei. Unmittelbar längs der Scharniere der bronzenen Tempelpforte schien ein feiner Streifen Licht zunehmend breiter zu werden. Eine Messerklinge aus funkelndem Sonnenlicht wuchs langsam heran, wurde so breit wie ein Finger, wie eine Hand, bis schließlich reinstes Licht sich über eine Fläche ergoss, die so breit wie der ausgestreckte Arm eines Mannes lang war. Die Dachpfannen über dem Tempel schimmerten zunächst leicht golden und nahmen dann einen solch blendenden Glanz an, dass sie selbst die bronzene Tempelpforte noch überstrahlten.
Wer diesem Schauspiel zusah, glaubte zu beobachten, wie der Tempel von einem göttlichen Feuer verschlungen wurde, das nicht etwa von dem Gott Claudius, sondern von den Göttern der Stämme entsandt worden war. Seit dem frühen Morgen schon hatten die Krieger die Götter angefleht. Nein, sogar schon seit jenem Tage, als sie ihre erste Schlacht gegen die Römer verloren hatten. Und seitdem hatten sie in ihren Bitten nicht mehr innegehalten.
Ein leises Murmeln ging durch die Reihen, schwoll an zu einem ohrenbetäubenden Brüllen und erstarb dann wieder. Abermals setzte Schweigen ein, ein Schweigen der Bewunderung und in gewissem Maße sogar des Entsetzens, Entsetzen über das Wagnis, das Schicksal auf die Probe gestellt zu haben, und dann feststellen zu dürfen, dass die Götter einem wohlgesonnen waren. Die Krieger hatten um ein Zeichen gebeten, die vereinigten Krieger der Eceni, von der Insel Mona, vom Stamme der Trinovanter, der Coritani, der Votadini und der Briganter. Und über Valerius, der sowohl mit der Sonne als auch mit dem Mond sprach, hatten sie schließlich darum gefleht, dass ihnen endlich einmal eine Art Zeichen gesandt werden möge, etwas Greifbares, ein Beweis dafür, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Und genau diesen Beweis erhielten sie nun in Form jenes gleißenden, die Sinne verwirrenden Strahlens, unter dem die Götter den falschen Tempel regelrecht verglühen ließen.
Reglos stand Valerius da und wünschte sich, dass seine Augen dieses Anblicks niemals müde würden.
Bei Tagesanbruch hatte er sich zurückgezogen hinter die östliche Stadtgrenze und an einen Ort, von dem aus er sowohl die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne als auch den alten Mond erblicken konnte, der vor der Sonne über den Horizont wanderte. Und in diese Betrachtung versunken hatte Valerius sich den beiden Göttern, denen er diente, gleichermaßen geöffnet. Grausilbriges Licht hatte ihn umfangen, während eine feine, knackende Frostschicht den Boden überzog und die Luft rein gewesen war wie frisches Flusswasser, frei von dem Gestank der bis auf die Grundmauern niedergebrannten Stadt. Sein Bewusstsein hatte geschwiegen. Dann hatte er gespürt, wie sich in seinem Geist eine kleine Tür zu öffnen schien. Ohne zu zögern und mit einer klaren Frage auf den Lippen, war er über die Schwelle getreten.
Valerius hatte sich von dieser gedanklichen Versunkenheit im Grunde nicht mehr erhofft, als dass er endlich eine gewisse Erleichterung über die Unterbreitung seiner Frage verspüren dürfte. Dann aber war der neue Tag heraufgezogen, und der Himmel war von einem schmerzhaft hellen, fast schon durchscheinenden Blau gewesen, das den gesamten Horizont überspannte - mit Ausnahme jener einen, einzigen Wolke, die sich so beharrlich vor die Sonne geschoben hatte, dass der halbe Morgen unter ihrem Schatten verstrichen war und die Krieger von einer kaum mehr zu bezähmenden Unruhe befallen worden waren. Und diese Unruhe war durch nichts zu besänftigen gewesen, noch nicht einmal dann, als die vier kleinen Mädchen aus dem Tempel geschickt worden waren.
Valerius hatte schon mit Breaca sprechen wollen, plante, einen Rückzug anzuordnen. Und sie hatten ihre Köpfe bereits in einem beratenden Gespräch zusammengesteckt, als Mithras’ Hand die Wolke schließlich doch noch beiseitegeschoben hatte. Oder vielleicht war es auch Nemains Hand gewesen oder die von Briga, oder vielleicht hatten auch all diese
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