Die Kriegerin der Kelten
Einbruch der Abenddämmerung statt, an einem wildromantischen Platz nahe der Kante eines Steilhangs aus braunem, grobkörnigem Felsgestein, der auf der einen Seite schwindelerregend tief zu dem unten am Fuße wachsenden Gestrüpp hin abfiel und auf der anderen in Heide überging, die noch nicht ganz in voller, violetter Blüte stand. Die Geräuschkulisse bildete eine übermütige Schar Krähen, die sich von den Aufwinden emportragen ließ und in der Luft ihre Purzelbäume schlug, während hoch über ihnen zwei Bussarde kreisten, die einander mit schrillen Schreien umwarben, die an das Wimmern eines Babys erinnerten.
Breaca war so rasch wie möglich gekommen, indem sie Airmid mit dem Großteil ihrer Krieger zurückgelassen hatte. Nur Cygfa hatte sie begleitet; je kleiner die Gruppe, mit der man reiste, desto schneller kam man voran. Ardacos war bereits vor ihr eingetroffen, zusammen mit Venutios. Nur Ardacos hätte einen einzelnen Mann aufspüren können, der Zuflucht vor den Römern suchte und sich ängstlich davor hütete, gesehen zu werden, und nur Ardacos war Venutios bekannt, und zwar sowohl persönlich als auch in seiner Eigenschaft als Beschützer der Bodicea in allen Dingen, sodass seine Worte ihre Worte waren und ebenso viel Gewicht und Einfluss hatten. Für jemand Geringeren wäre ein Mann wie Venutios, der von den Legionen wegen des Verrats an Cartimandua, seiner Königin, gesucht wurde, auch nicht gekommen.
Der Treffpunkt bot rundherum einen ungehinderten Ausblick auf die umliegende Landschaft, sodass niemand sich unerwartet an sie anschleichen konnte. Die beiden Heerführer saßen auf trockenen Felsblöcken neben einem Feuer, das reich an Heidekrautwurzeln und altem Birkenholz war und umringt von aufrecht stehenden Findlingen, die zu einer Zeit gemeißelt wurden, als die Götter noch jung gewesen waren, sodass die in den Stein geritzten Figuren und Symbole fast vollständig von Flechten überwachsen waren und selbst die Kerben am Rand, welche die Anzahl der Träumer und Krieger anzeigten, kaum noch zu erkennen waren.
»Wir brauchen dich«, sagte Breaca zu ihrem Gesprächspartner. Stone lag dicht hinter ihr und jagte im Schlaf Hasen, sodass sie das Zucken seiner Pfoten im Rücken spüren konnte.
Venutios war früher einmal Ranghöchster Krieger von Mona gewesen, im Anschluss daran jedoch wieder zu seinem Volk auf dem Festland zurückgekehrt, um das Kräftegleichgewicht gegen seine Königin aufrechtzuerhalten. Seit seiner letzten Begegnung mit Breaca war er sichtlich gealtert, mehr, als die dazwischenliegenden Jahre eigentlich gerechtfertigt hätten, und das kam besonders deutlich in der Intensität und dem Ausmaß seiner Vorsicht zum Ausdruck. Zunächst einmal gab er keine Antwort auf Breacas Äußerung, sondern kaute nur nachdenklich auf einem Streifen gedörrten Wildbrets, wie um auf diese Weise die entstandene Gesprächspause auszufüllen.
Schließlich erwiderte er: »Ich bin hierher zu dir gekommen, weil Ardacos mich an den Bärinnen-Tanz erinnert hat, so wie er ihn auf Mona zelebrierte, und an all die Dinge, die dieser Tanz bewirkte. Dafür und für all das, was du gewesen bist, bin ich dir die Ehre schuldig, dich zumindest einmal anzuhören, selbst wenn mein Herz nicht danach verlangt hat. Für das, was Cartimandua damals Caradoc angetan hat und was ich nicht zu verhindern vermochte, schulde ich dir das Leben selbst. Aber ich kann meine Schuld jetzt noch nicht einlösen. Die Briganter sind in zwei etwa gleich große Parteien aufgespalten. Die eine Hälfte folgt mir und wird gegen Rom kämpfen. Die andere Hälfte folgt Cartimandua und wird ohne zu zögern über uns herfallen und uns töten, wenn wir auch nur das geringste Anzeichen dafür erkennen lassen, dass wir uns mit euch verbünden wollen. Wenn wir kommen, bringen wir euch also im Grunde mehr Ärger ein, als dass wir euch eine Hilfe wären. Und deshalb frage ich dich: Willst du das wirklich?«
»Wenn wir die Legionen zurück ins Meer jagen oder in Grund und Boden stampfen, wenn sie geschlagen sind und niemals mehr zurückkehren werden, wenn der Kaiser die Provinz Britannien und alles, was in dieser Provinz ist, endgültig aufgibt - was wird dann aus Cartimandua?«
Das Grinsen, das um Venutios’ Lippen spielte, hatte etwas unerwartet Brutales an sich, das für Breaca gänzlich neu war; sie hatte ihn bisher noch nie als einen harten, grausamen Mann erlebt. »Dann ist sie erledigt«, erklärte er. »Wir werden sie nach Art der Römer
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