Die Kriegerin der Kelten
verkünden würde.
»Ich würde freiwillig zu dem Gott emporsteigen wollen.«
»Nein!«
»Dubornos, das kannst du nicht.«
Gleichzeitig mit Breacas Stimme erschallte auch die des Ältesten der Hirschkrieger, sie prallten geradezu aufeinander, unmittelbar über Dubornos’ Kopf. Er ließ den Blick vom einen zum anderen schweifen, und in seine Wangen kehrte schließlich sogar wieder etwas Farbe. Mit zwei Fingern berührte er den gelbbraunen Pelz einer Füchsin, den er um den Oberarm geschlungen trug, als ob er durch dessen Wärme ein wenig Energie schöpfen könne.
»Aber warum denn nicht? Schließlich habe auch ich unter dem schwarzen Mond in der verlorenen Zeit getanzt, ehe der gehörnte Gott uns seine Tochter gesandt hat, um uns wieder Licht zu schenken. Ich habe die Saat ebenso oft gesetzt wie Hawk, bin in der Geburt versunken und dann wieder zu neuem Leben erwacht, nach Luft schnappend wie ein Salm, den man an Land geworfen hat. Auch ich habe wieder laufen gelernt, bin unter dem Haselnussbaum mit den neun Zweigen hindurchgestolpert. Auch ich habe wieder die erste Jagd erfahren, habe die erste Milch gekostet, habe wieder das erste Mal das Gras unter meinen Füßen gespürt und die ersten Bucheckern geschmeckt. Ich habe auf der Suche nach Essbarem den ersten Schnee durchstöbert, habe gesehen, wie der Frühlingsregen den Schnee davonspülte. Ich habe beobachtet, wie zur Zeit der Vogelbeeren die jungen Rehböcke miteinander kämpfen, und auch ich habe gegen sie gekämpft, sowohl im Spiel als auch im Ernst. Ich habe gebrüllt wie der Hirsch, habe mein Geweih mit dem seinen gekreuzt, habe gewonnen und im selben Atemzug zugleich auch verloren. Unzählige Lebenszyklen habe ich durchlebt, bin mit jedem Mal dem Abgrund immer näher entgegengetanzt, und das alles stets in dem vollen Bewusstsein dessen, was ich tat.
Von Anfang an habe ich Hawk darum beneidet, dass er dazu auserwählt wurde, dem Gott sein Leben zu opfern. Und nun muss ich auch noch hören, dass er sich diese Gnade in Wahrheit gar nicht wünscht. Darüber hinaus bin ich ein Sänger. Ich weiß also, was es bedeutet, Zwiesprache mit den Göttern zu halten. Und genau wie jeder andere Mann habe auch ich vollauf begriffen, was wir nun am dringendsten brauchen. Vor allem aber bin ich im Gegensatz zu Hawk in der Lage, von den Wurzeln meiner Seele aus auch genau diese Hilfe von den Göttern zu erbitten, ich kann sie um ihre Unterstützung ersuchen in unserem Bemühen, das Land den Göttern zu bewahren und die Erde mit unserem Leben zu ehren. Ich biete mich freiwillig an. Ich will an Hawks Stelle gehen. Denn jetzt gehen zu dürfen, in diesem Ritual, würde mich mit dem größten aller Segen erfüllen.«
Er war ein Sänger, hatte sein halbes Leben hindurch die typischen Rhythmen und Metren der Sprache im Großen Versammlungshaus gelernt. Er wusste, wie er seine Stimme zu modulieren hatte, um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu erlangen und darüber hinaus auch zu halten, und zwar egal, ob es sich um die familiäre winterliche Zusammenkunft vor der heimischen Feuerstelle handelte oder um die schier unzähligen Zuhörer, die sich zu den Ratssitzungen im Versammlungshaus von Mona um die flammenden, langen Feuergräben scharten. Er wusste, wie er die Worte zu setzen hatte, um sein Ziel zu erreichen, und genau das tat er auch jetzt. Er schöpfte sein Potenzial als Redner voll aus.
Während seiner Ansprache hatte er sowohl den Ältesten des Stammes als auch sämtliche Tänzer der Reihe nach offen angeschaut. Dann drehte er sich um, wandte sich Breaca zu, die er den Tänzern nicht mehr vorzustellen brauchte, weil ganz einfach jeder sie kannte, und sprach schließlich nur noch zu ihr.
»Das hier ist kein letzter, sinnloser Versuch, mich selbst zu bestrafen, weil ich es nicht geschafft habe, Cunomar zu beschützen, und dann, später, auch noch in meinen Pflichten gegenüber Graine versagt habe. Denn ich habe sowohl bei Cunomar als auch bei Graine stets mein Bestes gegeben, das weiß ich ganz einfach, und ich weiß auch, dass du das weißt. Dieses Ritual hier ist also etwas sehr viel Größeres als irgendeine jämmerliche Gegenklage auf etwaige Vorwürfe, und es ist auch kein Schuldeingeständnis, ganz gleich, welcher Art. Das hier ist mein Schicksal, das hier ist jener Höhepunkt, auf den allein mein gesamtes Leben sich ausgerichtet hat. Airmid würde es verstehen. Sie war es, die mich im Land der Lebenden festgehalten hatte, seit ich das erste Mal versuchte, von hier
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