Die Kriegerin der Kelten
schwarzen Federn an ihren Enden hatten verhindert, dass die Geschosse Braints Körper gänzlich wieder verlassen hatten. Folglich lag die einstige Kriegerin auch nicht flach auf dem Boden, sondern gefangen wie in einem unerträglichen Schmerz bog ihr Brustkorb sich dem Himmel entgegen.
Noch hatte die Leichenstarre nicht eingesetzt. Vorsichtig zog Cunomar Braint hoch und lehnte sie gegen sein Knie. Dann brach er die aus ihrem Rücken herausragenden Pfeilschäfte ab und ließ Braint langsam und ganz so, als wolle er sie zum Schlafen betten, wieder zurücksinken. Mit den Daumen schloss er ihre Augen und ließ seine Finger für einen Moment auf ihren Lidern liegen, auf dass seine einstige Kameradin nicht mehr mit diesem seltsam starren Blick in den Abendhimmel schaute. Wie betäubt erklärte er: »Sie war die Ranghöchste Kriegerin von Mona. Wir sollten sie also mit uns nehmen. Jene, die sie angeführt hat, werden um sie trauern wollen.«
»Und auch Cygfa wird um sie trauern wollen«, stimmte Ulla zu.
»Falls Cygfa überhaupt wieder zurückkehrt. Sie ist mit der Bodicea ausgezogen, und seitdem haben wir nichts mehr von den beiden gehört. Vielleicht werden sie also nie mehr wiederkommen.« Gänzlich unerbeten stieg plötzlich dieser Gedanke aus den konturlosen Ängsten in Cunomars Hinterkopf auf, und noch ehe er sich selbst hatte bezähmen können, waren die Worte auch schon über seine Lippen gekommen.
Entsetzt betrachtete Ulla ihn, öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. »Aber natürlich wird Cygfa wiederkommen«, entgegnete sie, »und auch die Bodicea wird wiederkehren, und dann haben wir die Legionen doch schon so gut wie eingekesselt. Aber dass Valerius vorn auf der Straße aufgetaucht ist - also, darauf wiederum würde ich nicht hoffen. Denn wenn er dort wäre, hätte er uns mit seinen Spähern schon längst eine Nachricht übersandt. Die Legionen rennen also nicht einer Schlacht entgegen, sondern sie flüchten sich in Sicherheit, irgendwohin, wo sie sich besser verteidigen können als hier auf einer ungeschützt durch das Land verlaufenden Straße. Alles, was wir nun also tun müssen, ist, auf Valerius zu warten und darauf, dass er seine vereidigten Speerkämpfer mitbringt, und dann haben wir die Römer doch schon so gut wie eingekesselt - wie Schafe in einer Talenge. Morgen werden wir noch einmal, und zwar mit dem gesamten Kriegsheer, gegen die Römer vorrücken, und bis zum Abend haben wir das Land von zwei weiteren Legionen gesäubert.«
Morgen ...
Vollkommen unangekündigt kehrte der alte Albtraum zu Cunomar zurück, jener Traum von dem Bären, der, gefangen in seiner eigenen Höhle, nur darauf lauerte, den ersten stolpernden Narren, der sich ihm näherte, in Stücke zu reißen. Dieses Mal stand für Cunomar außer Frage, dass die Bärengöttin ihm diesen Traum geschickt hatte, gemeinsam mit all dessen unheilvollen Vorzeichen.
Voller Angst, nun auch noch diese schreckliche Vorahnung laut auszusprechen, zwang Cunomar sich zu einem dürren Lächeln und sagte an Ulla gewandt: »Bis morgen ist es noch viel zu lange hin, um sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen. Als Erstes müssen wir die Verwundeten zurück zum Treffpunkt bringen und hoffen, dass auch Valerius mittlerweile dort angelangt ist. Denn bei Valerius ist auch Theophilus, der sich um die Verletzungen kümmern könnte. Und wenn das erledigt ist, müssen wir einen Scheiterhaufen für Braint errichten, damit noch einmal jedem vor Augen geführt wird, was für eine bedeutende Kriegerin sie war. Willst du mir helfen, sie zu tragen?«
Sanft legte Ulla den Daumen auf Cunomars Mund und strich das aufgesetzte Lächeln von seinen Lippen. Ihr Blick schien die verschiedenen Masken, die er über sein Gesicht gebreitet hatte, eine nach der anderen wieder fortzureißen. »Selbstverständlich. Ich helfe dir doch immer. Dass du überhaupt noch meinst, danach fragen zu müssen...«
XXXVIII
Bei Einbruch der Dunkelheit entzündeten Cunomar und Valerius gemeinsam den Scheiterhaufen, auf dem Braints Leichnam lag; sie taten dies vor den versammelten Angehörigen des Kriegsheeres und in Sichtweite des Legionsfeldlagers.
Die Abendluft war regelrecht schwarz vor Insekten. Mauersegler und Fledermäuse schossen mit schrillem Gekreische durch die Schwärme hindurch. Tausende und Abertausende von Lagerfeuern sandten ihren Rauch in den noch blauen Himmel empor.
Die beiden Armeen waren lediglich durch eine flache Rippelmarke voneinander getrennt, eine
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