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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Bodicea und ihre Tochter sich gemeinsam über Airmids Jagdtasche aus Hirschleder. Dem Beutel entströmte ein schwacher Geruch nach Wundkraut und Hanf und dem muffigwarmen Atem der Häsin.
    Das Tier war geschmeidig und glatt und in körperlich gutem Zustand, und es lag vollkommen ruhig da, ganz so, als ob es zahm wäre. Graine ging in die Hocke und strich mit dem Knöchel ihres Zeigefingers über den Rücken der Häsin, während sie in sanftem Flüsterton auf sie einsprach.
    »Kannst du ihr Lied hören?«, wollte Breaca wissen. »In der Art, wie die Krieger den Kampfgesang ihrer Waffe hören können?«
    »Ich glaube schon. Ja, ich kann etwas hören.« Graines Blick war auf irgendeinen unbestimmbaren Punkt in der Ferne gerichtet, als ob sie Dinge beobachtete, die ihre Mutter nicht zu sehen vermochte. »Sie ist trächtig. Du hattest gesagt, dass du genau das wolltest, eine trächtige Häsin. Ich kann die ersten Klänge der Lieder ihrer ungeborenen Jungen hören, aber sie sind wirklich noch ziemlich klein. Sie ist also noch immer beweglich und kann, wenn es sein muss, auch rennen.«
    Es kam nur höchst selten vor, dass die Götter Vollkommenheit gewährten. In diesem Fall jedoch kamen sie der Perfektion äußerst nahe.
    »Kann sie auch dich hören?«, fragte Breaca. »Könntest du sie bitten, uns zu zeigen, wie wir vorgehen müssen, um die Legionen anzugreifen und trotzdem heil und unbeschadet davonzukommen?«
    Eine einzelne Sorgenfalte zerfurchte Graines Stirn. Ihre Augen waren groß und grau, ihr ernster Blick nun voll und ganz auf ihre Mutter konzentriert. »Der römische General hat Hunde«, erklärte sie. »Sie werden Jagd auf sie machen, sie hetzen, zwei gegen einen, sodass sie nirgendwohin mehr fliehen kann. Sie wird sterben.«
    Einst, vor vielen Jahren, hatte es schon einmal eine solche Hetzjagd gegeben. Damals war es zwar lediglich ein einzelner Hund gewesen, der es auf einen jungen Hasen abgesehen hatte. Dennoch hatte der Hase am Ende sein Leben lassen müssen. Breaca war damals nicht zugegen gewesen, um das Schlimmste zu verhindern, und hatte dies seitdem oftmals bereut.
    Jetzt sagte sie: »Ich denke, sie wird überleben, aber ganz sicher sein kann ich mir natürlich nicht. Falls sie aber doch sterben sollte, wäre vielleicht immer noch Zeit genug, um das Kriegsheer wieder zurückzuziehen und fortzuführen, ohne dass es zu sinnlosem Blutvergießen kommt. Bei einem so starken und eindeutigen Omen wären die Krieger sicherlich bereit, den Rückzug anzutreten. Zumal die Chance besteht, dass die Legionen es dann nicht wagen würden, uns zu verfolgen, in der Annahme, dass unser vermeintliches
    Rückzugsmanöver bloß eine List ist, um sie aus der Sicherheit ihres Tals zu locken.«
    Nun ging Breaca ebenfalls in die Hocke und sprach zu den gelben Augen des Hasen und durch dessen Augen wiederum zu ihrer Tochter. »Können wir dieses Risiko eingehen, sie und ich? Du und ich? Wäre die Häsin bereit, im Namen all dessen, worauf wir hingewirkt haben, ihr Leben zu opfern, so wie Dubornos es getan hat? Wenn nicht, können wir sie zurückbringen und irgendwo hinter dem Kriegsheer wieder freilassen, weit fort von Paulinus und seinen Hunden. Airmid wird wissen, wo die beste Stelle dafür ist.«
    Graine war die Tochter der Bodicea. Die Notwendigkeit, Rom zu bekämpfen, hatte ihr Leben vom allerersten Tag an stärker geprägt als alles andere. Daher war es völlig ausgeschlossen, dass Graine diesem lebenswichtigen Gebot nun plötzlich keine allerhöchste Priorität mehr einräumen würde, auch wenn sie die Hasenjagd noch so sehr verabscheute. Sie biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Schließlich sprach sie: »Du musst sie zum Mond emporhalten.«
    In diesem Moment sah Graine aus wie Airmid oder Valerius, wenn diese träumten. Und dieser Anblick reichte Breaca, um darauf zu vertrauen, dass das Glück der Götter mit ihnen war. Luain mac Calma ist davon überzeugt, dass sie der wilde, der springende Stein in jenem Spiel ist, das wir den Kriegertanz nennen.
    »Tu du das«, entgegnete Breaca. »Ich werde unterdessen Stone festhalten.«
    Der Mond war im Schwinden begriffen. Mit jedem Herzschlag, mit jeder Sekunde, die der neue Tag an Kraft gewann, verblasste er etwas mehr. Zwar war er der Sonne nun näher als während jener Zeremonie, bei der Dubornos sein Leben geopfert hatte, war kleiner und schmaler und blasser als an jenem noch gar nicht so lange zurückliegenden Morgen.

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