Die Krone von Camelot
einzuprägen. »Du kannst ihnen hinterher erzählen, daß ich dir gesagt hätte, ich wolle wegen irgend etwas noch einmal zurückgehen, und dann sei ich dir entwischt.«
»Nein. Sie werden wissen, daß du das Losungswort von mir erfahren haben mußt. Und ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Ich glaube nicht, daß der König übermäßig wütend darüber sein wird. Du bringst ihm keinen Nutzen, und er mißtraut dir. Mich braucht er, und er wird zufrieden genug darüber sein, daß ich nicht mit dir gegangen bin. Wenn er aber trotzdem wütend wird und mich aus seinen Diensten entläßt, um so besser. Entweder wird er mich selbst töten lassen, oder ich werde dir folgen und Artus die Hinrichtung überlassen.«
Macsen gab in dieser Nacht ein großes Fest, um den >Sieg< des Geplänkels an diesem Morgen zu feiern und den bisherigen >Erfolg< des Krieges. Viele der Männer betranken sich und versuchten, Bedwyr dafür zu gratulieren, daß er Gawain getötet hatte. Sie mußten betrunken sein, daß sie das taten, denn Bedwyr sah jedesmal, wenn seine Tat erwähnt wurde, so grimmig aus, daß auch der blödeste Krieger es bemerkt hätte, wäre er nüchtern gewesen. Ich sagte den ganzen Abend lang nichts, ich saß nur bleich und geistesabwesend da, aber das war nichts Neues und erregte keine Aufmerksamkeit. Bedwyr und ich verließen das Fest, sobald wir konnten, in aller Höflichkeit und gingen hinunter zu den Ställen.
Es war dunkel, und die Stallburschen schliefen. Bedwyr fand eine rußgeschwärzte Lampe, und in ihrem Schein suchten wir die Kleidung, die er unter einem Heuballen beim Stand meiner Stute hinterlassen hatte. Ich kleidete mich um, und er sattelte das Pferd. Die Sachen waren natürlich zu groß, aber zu Pferd, mitten in der Nacht, und mit einem Mantel darüber war das nicht zu sehen. Ich benutzte etwas von der Kohle, die ich geborgt hatte, um mir damit Wangen und Oberlippe dunkler zu färben. Dann wickelte ich den Schal um den Kopf und zog die Kapuze meines Umhangs über. Bedwyr hob die Lampe und schaute mich kritisch an.
»Dein Schnurrbart ist schief.«
Ich schmierte noch ein bißchen Kohle darüber.
»So geht es sehr gut - die Wachen werden nach oben schauen müssen, um dein Gesicht zu sehen, und dieser Schal verbirgt sehr viel.« Er führte meine Stute aus ihrem Stand hinaus und reichte mir die Zügel. Dann stellte er die Lampe hin und küßte mich verzweifelt und hart mehrere Male. »Viel Glück«, sagte er mit rauher Stimme.
Ich nickte. Meine Kehle war so zugeschnürt, daß ich nicht antworten konnte. Ich saß auf und warf einen letzten Blick auf ihn, wie er in der Pfütze aus dämmrigem Lampenlicht dastand. Die Kohle von meiner Oberlippe war auf seinem Gesicht verschmiert, und er wirkte fast so ruhig wie damals, als er noch Artus’ getreuer, philosophischer Feldherr gewesen war. Aber jetzt war es eine andere Ruhe, eine Ruhe, die zu den Kranken kommt, wenn sie endlich von ihrer Qual erschöpft sind und dem Schmerz nicht länger widerstehen können, sondern nur noch still daliegen und auf das Ende warten.
»Möge Gott dich schützen und dir gnädig sein«, sagte ich. Dann, weil ich mir, wenn ich noch mehr sagte, nicht mehr trauen konnte, preßte ich meiner Stute die Fersen in die Flanken und ritt aus dem Stall hinaus.
Ich traf den Wachposten auf der Straße. Aber ich sagte ihm das Losungwort mit einer Stimme, so tief, wie es mir nur irgend möglich war, und er sagte mir, ich könne weiterreiten. Ich kannte eine Abkürzung zum Stadttor, aber auf diesem Ritt schien es sehr lange zu dauern. Meine Stute spürte meine Erregung und benahm sich widerspenstig. Sie war selbst in ihren besten Zeiten ein temperamentvolles, nervöses Tier, aber sie konnte so schnell laufen, wie die Schwalbe fliegt, und hatte alle Kraft. Heute war sie durch den ungewöhnlichen nächtlichen Aufbruch auf ihrem bequemen Stall schlecht gelaunt, und ich fing an, mir Sorgen zu machen, sie könne vielleicht am Tor ein Durcheinander erzeugen und möglicherweise sogar steigen und tänzeln, so daß mir die Kapuze abrutschte und man mich gefangennahm.
Als ich das Tor endlich erreichte, flammte es vom Fackellicht. Ich ritt mutig hinein, und die Hufe meiner Stute klapperten auf den Pflastersteinen. Zwei Wachposten vor dem massiven eichenen Tor standen stramm, und ganz schwach konnte ich die anderen oben auf dem Turm sehen.
»Losung?« fragte einer der beiden, die vor mir standen.
»Freiheit.«
»Wessen Freiheit?«
»Die Freiheit des Willens
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