Die Küsten der Vergangenheit
vergraben.«
Am anderen Ende der Leitung entstand eine lange Pause. »Okay«, brummte Lasker nach einer ganzen Weile. »Hört zu, ich bin am späten Vormittag oben. Ich erledige meinen Kram und komme anschließend sofort nach Hause. Heute nachmittag bin ich zurück.«
Es war ein kalter, grauer, ekelhafter Tag. Schnee oder Regen hing in der Luft. Während des Frühstücks trafen ein paar Besucher ein und klopften an die Tür. Ob sie das Schiff ansehen dürften? Ginny schloß pflichtbewußt die Scheune auf, koppelte den Trailer an einen alten John Deere und zog ihn in den grauen Morgen hinaus. Schilder am Trailer wiesen die Leute darauf hin, nichts anzurühren.
»Warum machst du das überhaupt?« fragte Max, den sein Teller mit Schinken und Omelett völlig in Anspruch nahm. »Laß das Schiff in der Scheune, und der ganze Rummel findet ein Ende.«
»Das würde ich nur zu gerne«, gestand sie. »Aber Tom ist der Meinung, das wäre wenig nachbarschaftlich. Er meint, wenn die Leute den ganzen Weg von Winnipeg oder Fargo heraufkommen, um dieses Ding zu sehen, dann sollten wir es ihnen auch zeigen.« Sie zuckte die Schultern. »Ich bin nicht wirklich anderer Meinung, aber es wird allmählich lästig.« Weitere Fahrzeuge kamen herbei, während Max zu Ende frühstückte. »Wir hoffen, daß es bald langweilig für sie wird. Oder zu kalt. Was auch immer.« Der Ausdruck in Ginnys blauen Augen rührte Max. Sie hatte noch immer Angst, selbst jetzt, am Tag. »Max, ich würde das Ding schrecklich gerne loswerden.«
»Dann verkauft es doch.« Er wußte, daß sie ihren Kopf bei Tom durchsetzen konnte, wenn es darauf ankam.
»Werden wir. Allerdings kann es eine Weile dauern. Wir wissen nicht einmal, ob wir einen rechtlichen Anspruch besitzen.«
Max aß das letzte Omelette auf und griff nach einem weiteren. Er gab sich normalerweise Mühe, nicht zu viel zu essen, aber Ginnys Küche war einfach zu gut. »Ich frage mich«, sinnierte er, »ob in diesem Hügel nicht vielleicht noch mehr vergraben liegt.«
Ginny blickte ihn verblüfft an. »Ich hoffe nicht.«
Max dachte über ein Szenario nach, das den Fakten Rechnung trug. Die Mafia kam ihm immer wieder in den Sinn. Wer sonst konnte etwas derart Merkwürdiges aushecken? Vielleicht war das Schiff ein kritisches Beweisstück in einem Chicagoer Mordprozeß.
Jemand klopfte an die Küchentür.
Ginny öffnete einer Frau mittleren Alters in einem Pelzmantel. Sie befand sich in Begleitung eines grauhaarigen, entschlossen wirkenden Chauffeurs. »Mrs. Lasker?« fragte er.
Ginny nickte.
Die Frau trat ein, knöpfte ihren Mantel auf und erblickte Max. »Guten Morgen, Mister Lasker«, sagte sie.
»Mein Name ist Collingwood«, berichtigte Max.
Ihre einzige Reaktion bestand in einer leicht erhobenen Augenbraue. Sie wandte sich wieder an Ginny. »Ich bin Emma McCarthy«, stellte sie sich vor. Sie besaß scharfe, forschende Gesichtszüge und die Art von Ausdruck, die man nach einem Leben voller vorschneller Urteile zu haben pflegt. »Dürfte ich erfahren, meine Liebe, ob Ihr Schiff zum Verkauf steht?« Sie schloß die Tür hinter sich und ließ den Chauffeur draußen auf der Treppe warten.
»Oh, ich denke nicht«, antwortete Ginny. »Mein Mann ist sehr stolz darauf. Wir planen, es diesen Sommer selbst zu benutzen.«
McCarthy nickte und setzte sich auf einen Stuhl. Sie signalisierte Max, daß sie einen Kaffee wünschte. »Das kann ich sehr gut verstehen. Mir würde es genauso gehen. Es ist ein wunderschönes Schiff.«
Ginny füllte eine Tasse und reichte sie ihr.
»Ich verstehe, daß Sie die Möglichkeiten voll ausschöpfen wollen«, fuhr McCarthy fort. »Aber ich kann Ihnen versichern, daß so rasch niemand einen besseren Preis bietet. Ich würde gerne einen genaueren Blick auf das Schiff werfen. Zum Beispiel die Kabinen. Und den Motor. Falls Sie nichts dagegen haben.«
Ginny nahm gegenüber von McCarthy am Tisch Platz. »Ich muß ganz ehrlich gestehen, Ms. McCarthy …«
»Mrs. McCarthy«, korrigierte sie Ginny. »Mein Ehegatte, Gott möge seiner Seele gnädig sein, würde es nicht ertragen, wenn ich ihn ausgerechnet jetzt verlasse.«
»Also schön, Mrs. McCarthy.« Ginny lächelte. »Ich führe Sie gerne in der Yacht herum. Allerdings bin ich nicht bereit, jetzt über ein Angebot zu verhandeln.«
Mrs. McCarthy schob ihren Mantel von den Schultern und ließ ihn über die Stuhllehne gleiten. Lassen Sie uns Klartext reden, schien ihre Geste zu bedeuten.
Max erhob sich unter einer
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