Die Küsten der Vergangenheit
Cannon, und ich freue mich für sie. Dieser Durchgang, von dem sie gesprochen hat – falls er wirklich existiert, ist er von erheblicher Bedeutung. Doch das ist Zukunftsmusik. Hier leben Menschen, die jetzt Not leiden. Wir können mit diesem Geld eine ganze Menge für uns und unsere Kinder bewirken. Ich beschwöre die Ratsversammlung, diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.«
Ein großer Mann in einer abgetragenen Hirschlederjacke erzählte die Geschichte vom Kojoten, der bei dem Versuch, das Maul zu voll zu nehmen, leer ausgegangen war.
Einer nach dem anderen erhoben sich die restlichen Indianer und trugen ihre Geschichten vor. Geschichten von Kindern, die auf die schiefe Bahn geraten waren, von Männern und Frauen, deren Leben durch Drogen ruiniert worden waren und was es bedeutete, in einer reichen Gesellschaft arm zu sein.
»Die Welt dort draußen«, sagte ein Mann, der sicher bereits die Neunzig überschritten hatte, »nimmt uns nur dann wahr, wenn sie etwas von uns will. Wieviel auch immer sie bieten mögen, sie versuchen uns zu betrügen. Seid vorsichtig.«
Es war das beste Argument gegen den Verkauf, das Max bis zu diesem Zeitpunkt gehört hatte. Schließlich erhob sich Arky Redfern und ergriff als letzter das Wort. »Heute abend bin ich traurig wegen dem, was hier vorgetragen wurde. Ich sorge mich um mein Volk. Wieder einmal bietet der weiße Mann uns Geld, und wir sind gierig, es aus seinen Händen zu schnappen. Wir überlegen gar nicht, welche Art von Handel wir dafür eingehen müssen. Die Probleme, von denen ihr gesprochen habt, sind nicht entstanden, weil wir kein Geld besitzen. Sie sind vielmehr entstanden, weil wir unser Erbe verloren haben. Wir haben vergessen, wer wir sind und was wir hätten sein können. Ich sage euch, Brüder und Schwestern, wenn wir zulassen, daß man uns wieder einmal mit Geld verführt, dann ist es besser, wir erleben keinen weiteren Sonnenaufgang mehr.«
Ein unruhiges Murmeln ging durch die Menge. Die Journalisten hielten ihre Kassettenrecorder hoch und richteten Fernsehkameras auf die Anwesenden, um ja nichts zu versäumen. Arky drehte sich nach der Ratsversammlung um.
»Man hat uns eine neue Welt gezeigt. Vielleicht ist es an der Zeit, daß wir aufhören mit dem Versuch, auf Land zu leben, das die Weißen uns gnädig überlassen. Vielleicht ist endlich die Zeit gekommen zu tun, was unsere Väter getan hätten. Laßt uns an diesem Wald festhalten, den April Cannon entdeckt hat. Laßt uns sehen, ob wir ihn nicht zu unserem Wald machen können. Das ist die Wahl, vor der wir heute nacht stehen: Nehmen wir das Geld dieses weißen Mannes hier – oder leben wir endlich wieder so, wie wir eigentlich immer hätten leben sollen.«
Nachdem sich die Ratsversammlung zur Abstimmung zurückgezogen hatte, stürzten sich die Medien auf April. Während sie Fragen beantwortete, nahm Max Arky beiseite. »Ich glaube nicht, daß Sie die Menge überzeugen konnten«, sagte er.
Der Anwalt lächelte. »Das wollte ich auch gar nicht. Ich habe zwar zu meinen Leuten gesprochen, doch meine Worte galten den alten Kriegern in meinem Rücken.«
- Devil’s Lake, North Dakota, 15. März (AP) -
Der Stammesrat der Sioux von Devil’s Lake hat heute das Zweihundert-Millionen-Dollar-Angebot eines Industriekonsortiums abgelehnt, Johnson’s Ridge zu kaufen. Der Bergrücken geriet kürzlich wegen einer spektakulären Ausgrabung in die Schlagzeilen. Die Ablehnung wurde mit der Entdeckung einer »Sternenbrücke« begründet (siehe auch unsere heutige Titelstory oben auf dieser Seite). Man berichtet von Unruhen unter den Stammesmitgliedern. Einige von ihnen versammelten sich spontan zu einer Demonstration. Die Polizei bereitet sich gegenwärtig auf weitere Kundgebungen und Protestaktionen vor…
Sie gingen ein weiteres Mal durch das Portal und nahmen ein paar zögernde Reporter mit. In jener Nacht brach in der gesamten Nation etwas aus, das Jay Leno ›Rundhausfieber‹ taufte. Auf jeder Titelseite und in jeder Nachrichtensendung waren Bilder vom Strand und vom Pferdekopfnebel und von Menschen zu sehen, die in einem Blitz goldenen Lichts verschwanden. Innerhalb eines einzigen Tages waren das Rundhaus und die jungfräuliche, wilde Welt hinter dem Portal auf der ganzen Welt Gesprächsthema Nummer eins.
Die Sicherheitsmaßnahmen wurden drastisch verschärft. Ein ständiger Strom von VIPs traf ein, meist im Helikopter. Sie kamen von bekannten und bedeutenden Universitäten,
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