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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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in den Zug geschafft, bin in Shijiazhuang umgestiegen Richtung Kreishauptstadt, wo ich mich bei Verwandten versteckte. Nach einer gewissen Zeit war ich so gelangweilt und deprimiert, dass ich in den Süden nach Sichuan bin und auf den Emei-Berg hinauf. In dieser Zeit haben sich nicht wenige ins Ausland abgesetzt, nicht wenige sind ihnen ins Netz gegangen. Es hat noch einmal ganze drei Monate gedauert, bis ich vom Generalsekretär der Parteizellen am Philosophischen Seminar der Universität Beijing einen Brief bekam, in dem stand, der Sturm sei vorüber, ich solle zurückkommen und mein Studium wiederaufnehmen.
    LIAO YIWU:
    Das war keine Falle?
    LI HAI:
    Die Beijing Uni hat doch die Tradition, ihre Studenten zu beschützen. Aber die Menschen damals waren verunsichert, in diesen Monaten waren eine ganze Reihe von Leuten anderer Bildungseinrichtungen bei mir vorbeigekommen und hatten mir privat berichtet, man bereite eine Trauerkundgebung für den 4 . Juni vor. Ich musste da mitmachen und meine Außenkontaktarbeit weiterführen. Ich wurde am 31 . Mai 1990 verhaftet, ich war gerade aus Wuhan nach Beijing zurückgekommen, zurück zur Beijing Uni, in mein Wohnheim, aber ich hatte mich noch nicht richtig auf meine vier Buchstaben gesetzt, als jemand an die Tür klopfte. Der Parteizellengeneralsekretär der Abteilung stand vor mir, ich hatte keine Wahl, ich musste mit ihm gehen. Zuerst haben wir in der Sicherheitsabteilung der Hochschule eine Stunde lang geredet, dann haben sie mir Handschellen angelegt, mich in einen Gefangenenwagen bugsiert und in das Untersuchungsgefängnis des Bezirks Haidian geschafft.
    LIAO YIWU:
    Keine Prügel? Sie haben doch auch zu den Studentenführern gehört, Sie hätten eine bevorzugte Behandlung bekommen müssen.
    LI HAI:
    Ja, deshalb habe ich mich, noch bevor ich das Gebäude betrat und obwohl ich ganz durcheinander war, mit Gewalt gefasst, so wie die Märtyrer in den roten Romanen, die gelassen in den Tod gehen. Doch als ich durch das Portal trat, war da noch eine zweite Tür, dann eine dritte, und jede war enger als die davor. Und dann ganz drinnen kam auf einmal schräg ein Fuß geflogen, Gürtel runter!, brüllte jemand. Dann zogen sie mir den Gürtel aus der Hose, die Hose herunter und ließen mich entblößt da stehen. Sie schauten mir in den Mund und in den Hintern, doch nach dieser Untersuchung bekam ich meine Kleider nicht gleich zurück, sondern wurde direkt in eine Zelle geworfen. Da drin waren gut zwanzig andere Kerle, alle ohne Hose am Hintern, die mich umringten und wild durcheinanderkrakeelten, dann kamen sie näher, und ein Hagel von Schlägen und Tritten ging auf mich nieder, so dass ich auf dem Boden hin und her rollte. Eine Stimme schimpfte: Dir werden wir helfen, Scheißkerl, hier herumzurollen, du entgehst uns nicht! Dann bekam ich einen heftigen Tritt vor die Brust. Der Schmerz ging mir durch und durch, beinahe wäre mir ein Schwall Blut aus dem Mund gespritzt, ich bin mit einem ziemlichen Krachen zusammengebrochen.
    LIAO YIWU:
    Als ich ins Gefängnis kam, ist es mir ähnlich ergangen.
    LI HAI:
    Ich hatte ein paar Tage Schmerzen. Ich hörte, wie der Zellenboss sagte, mit Kinderpisse kann man Trittwunden behandeln, deshalb habe ich damals, wenn ich träumte, davon geträumt, Kinderpisse zu trinken, bis mich der Durst geweckt hat, ich aber kein Wasser finden konnte. Das war Zellengesetz, wenn man hereinkam, wurde einem erst einmal der Schneid abgekauft. Deshalb sah nach einer Weile ein Wärter selbstgefällig auf seinem Rundgang herein und fragte durch die Gitter hindurch: Scheiße, ist heute jemand geschlagen worden?
    Von drinnen die Antwort: Nein.
    Der Wärter fragte weiter: Und der Neue, haben sie dich geschlagen?
    Ich hörte auf zu stöhnen und antwortete: Nein.
    LIAO YIWU:
    Und dann?
    LI HAI:
    Dann kam eine lange Leidenszeit. Ich war umgeben von Kleindieben und Pennern, meine universitäre Ausdrucksweise war im Nu Ziel ihres Spotts. Natürlich war das Massaker vom 4 . Juni noch nicht lange her, und alle fühlten mit mir. Ein Gewohnheitsräuber sagte zu mir, um die patriotische Studentenbewegung zu unterstützen, habe er an der Arbeitsniederlegung der vereinigten Diebe von Beijing-Stadt teilgenommen, mit dem Resultat, dass die Kommunistische Partei beim ersten richtigen Druck auf der Blase sofort ein Blutbad angerichtet hat, wir haben ganz schön mit den Ohren geschlackert.
    LIAO YIWU:
    Außer Ihnen gab es niemanden vom 4 . Juni?
    LI HAI:
    Nur einen, der hatte eine

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